Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

204 $ 66. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung. 
dem Reich die oberste Leitung und Beaufsichtigung zugewiesen ist. 
Die dritte Masse endlich besteht aus denjenigen Ressorts, welche das 
Reich vollständig verwaltet, so daß ihm nicht nur die Kontrolle, son- 
dern auch die unmittelbare Geschäftsführung obliegt. 
Als der Norddeutsche Bund gegründet wurde, waren die deutschen 
Staaten souverän, also in ihrer auf die Erfüllung der staatlichen Auf- 
gaben gerichteten Tätigkeit rechtlich vollkommen unabhängig. Durch 
die Errichtung des Bundesstaates unterwarfen sie sich einer Ober- 
staatsgewalt, welcher die Befugnis zur Gesetzgebung für einen großen 
Kreis staatlicher Angelegenheiten zugewiesen wurde. Die rechtlichen 
Normen für die Regierungstätigkeit der Einzelstaaten konnten von 
jetzt ab den letzteren von einer über ihnen stehenden Gewalt vorge- 
schrieben werden; damit aber diese Gesetzgebung nicht wirkungslos 
und unbeachtet bleibe, mußte die Verwaltungstätigkeit der Einzelstaaten 
der Aufsicht der Zentralgewalt unterstellt werden. 
Es war dies nicht nur deshalb erforderlich, damit die Regierung 
und die Behörden der einzelnen Staaten zur Beobachtung der reichs- 
gesetzlichen Vorschriften genötigt wurden, sondern auch deshalb, da- 
mit die Gesetzgebung des Reiches auf die bei der Verwaltungstätigkeit 
der Einzelstaaten hervortretenden Bedürfnisse und Mängel, auf die da- 
bei gesammelten Erfahrungen und entstandenen Gebräuche Rücksicht 
nehmen könne, da die Verwaltung, wie oben S. 187 fg. ausgeführt wor- 
den ist, auch eine rechtsbildende Bedeutung hat. Die Geschäftsfüh- 
rung selbst aber ist den Einzelstaaten verblieben; dem politischen Be- 
dürfnis war genügt, wenn die Verwaltung nur nach gleichen Regeln 
und nach übereinstimmenden Zielen geführt wurde. Nur einige Ver- 
waltungszweige sind speziell ausgenommen; bei ihnen ist dem Reiche 
auch die Geschäftsführung zugewiesen worden. 
Soweit dagegen die gesetzliche Regelung gewisser Angelegenheiten 
der Autonomie der Einzelstaaten überlassen blieb, war auch keine 
politische oder staatsrechtliche Notwendigkeit vorhanden, ihre Verwal- 
tungstätigkeit der Ueberwachung oder Leitung seitens des Reiches zu 
unterwerfen. 
Die Reichsverfassung hat im Eingange des Art. 4 diese Grundsätze 
anerkannt: »Der Beaufsichtigung seitens des Reiches und der Gesetz- 
gebung desselben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten.« Es 
ist hierin die Kongruenz der Gesetzgebungskompetenz und der Ver- 
waltungskompetenz des Reiches ausgesprochen und die Verwaltungs- 
tätigkeit des Reiches ausdrücklich auf die Beaufsichtigung beschränkt. 
Hinsichtlich einzelner Angelegenheiten ist dann in den späteren Artikeln 
der Reichsverfassung oder in besonderen Reichsgesetzen dem Reiche 
auch die unmittelbare Geschäftsführung ganz oder teilweise übertragen 
worden. Es sind dies Ausnahmen, während Art. 4 das allgemeine Prinzip 
aufstellt. Ergänzt werden diese Regeln durch den Grundsatz, daß den 
bei ihrem Eintritt in den Norddeutschen Bund und das Deutsche
	        
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