Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 66. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung. 207 
Abs. 2 der Reichsverfassung dem Bundesrate beigelegte Recht, Verwal- 
tungsverordnungen zu erlassen, ist wohl zu unterscheiden von der 
Befugnis, Rechtsregeln im Verordnungswege zu sanktionieren, d. h. 
Ausführungsgesetze zu geben. Vgl. oben 858. Während eine Rechts- 
verordnung immer nur auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächti- 
gung (Delegation) gültig erlassen werden kann, ist der Bundesrat durch 
die Verfassung selbst mit dem Verwaltungsverordnungsrecht ausge- 
stattet. Nur wenn dasselbe dem Bundesrat entzogen und entweder 
dem Kaiser, dem Reichskanzler oder einer anderen Reichsbehörde 
oder den Einzelstaaten übertragen werden soll, muß dies durch spe- 
zielle reichsgesetzliche Anordnung erfolgen. Die Beschlußfassung über 
die Verwaltungsverordnungen erfolgt nach den in den Art. 6 und 7 
der Reichsverfassung gegebenen Regeln. Die Zustimmung des Präsi- 
diums zur Abänderung bestehender Vorschriften oder Einrichtungen 
ist nach Art. 37 der Reichsverfassung nur bei denjenigen Verwaltungs- 
verordnungen erforderlich, welche zur Ausführung der gemeinschaft- 
lichen Zoll- und Steuergesetzgebung dienen (Art. 35). Für 
das Heerwesen und die Kriegsmarine ist dieses Sonderrecht entbehr- 
lich wegen der im Art. 63 und im Art. 53 der Reichsverfassung dem 
Kaiser eingeräumten Befugnisse, welche das Recht des Bundesrates, 
Verwaltungsvorschriften zu erlassen, überhaupt sehr wesentlich be- 
schränken und in der Hauptsache ausschließen !). 
Die vom Bundesrate auf Grund des Art. 7, Abs. 2 erlassenen Vor- 
schriften haben niemals die Kraft von Rechtssätzen, sondern sind 
lediglich Instruktionen oder Anweisungen für die Regierungen und 
deren Behörden. Sie sind daher nur für die Amtsführung der letzteren 
verbindlich, nicht für Dritte; namentlich begründen sie keine Ver- 
pflichtungen der einzelnen Reichsangehörigen und ebensowenig können 
sie dieselben wirksam mit Strafen bedrohen. Die Verwaltungsverord- 
nungen des Bundesrates bedürfen aus demselben Grunde keiner Pu- 
blikation; sie werden vielmehr den Einzelregierungen mitgeteilt (be- 
händigt), welche für die weitere Mitteilung an die Landesbehörden 
Sorge zu tragen haben ’?). Soweit der Inhalt etwa für das Publikum 
von Interesse ist, kann eine Öffentliche Bekanntmachung erforderlich 
und in der Bundesverordnung selbst den Einzelregierungen vorge- 
1) Art. 5, Abs. 2 erkennt dieses Recht des Präsidiums bei Gesetzes vorschlä- 
gen an; mithin kann ohne Zustimmung des Präsidiums auch kein Gesetz zustande 
kommen, welches das Recht, Ausführungsgesetze zu erlassen oder in die dem Kaiser 
nach Art. 53 und Art. 63 zustehenden Verwaltungsbefugnisse einzugreifen, dem Bundes- 
rat überträgt. 
2) Die Ausführung der vom Bundesrat beschlossenen Verwaltungsverordnungen 
liegt zunächst den Regierungen der Bundesstaaten ob, welche dieselbe dadurch 
bewirken, daß sie die Landesbehörden des betreffenden Ressorts mit den erforder- 
lichen Verfügungen (Verordnungen) versehen. Es ist dies wenigstens vom Bundesrat 
selbst wiederholt und ohne Widerspruch anerkannt worden. Vgl. z. B. 1875, 8 124, 
Ss. 111.
	        
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