Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 243 
Dynastie; das Reichsland steht nicht in Personalunion mit Preußen '!). 
Der Kaiser ist dasjenige Organ des Reiches, durch welches dieses 
seine Souveränität über Elsaß-Lothringen ausübt. Dies findet seinen 
juristischen Ausdruck und eine unzweifelhafte staatsrechtliche Aner- 
kennung darin, daß der Kaiser alle staatlichen Akte in Ausübung der 
Staatsgewalt von Elsaß-Lothringen sim Namen des Reiches< 
vollzieht ?). 
Die Formen und Voraussetzungen für die Ausübung dieser Hoheits- 
rechte stehen aber unter anderen Regeln als sie nach der Reichsver- 
fassung für die (kaiserlichen) Präsidialrechte gelten; insbesondere ist 
an Stelle des Reichskanzlers der Statthalter und an Stelle des Bundes- 
rats und Reichstags der Landtag getreten. Die Reichsangelegenheiten 
und die Landesangelegenheiten sind objektiv in derselben Weise 
von einander geschieden wie die Kompetenz des Reiches und der 
Einzelstaaten, ausgenommen die Verfassung .des Reichslandes selbst, 
welche Reichsangelegenheit ist. 
Da der Kaiser nicht Landesherr im Sinne des Monarchenrechts 
in Elsaß-Lothringen ist, so folgt daraus, daß es im Reichslande kein 
»landesherrliches Haus« gibt, und daß die besonderen Rechte, welche 
die Mitglieder der deutschen Dynastien auf Grund von Reichs- oder 
Landesgesetzen in den betreffenden Bundesstaaten genießen, den Mit- 
gliedern der preußischen Königsfamilie in Elsaß-Lothringen nicht zu- 
stehen. Andererseits würde, wenn in Preußen eine Regentschaft ein- 
treten sollte, der preußische Regent ipso jure nebst den anderen kai- 
serlichen Rechten auch die Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Loth- 
ringen übernehmen. Die Ernennung eines besonderen Regenten für 
das Reichsland ist ausgeschlossen; die kaiserlichen Rechte sind nicht 
teilbar. 
1) Vgl. Stöber S. 650 ff. 658. Apel, Die landesherrl. Gewalt des Kaisers in 
Els.-Lothr. 18%, S.34ff. Rosenberg S.24fl. Ernst Mayer in Hirths Annalen 
1896, S. 250 ff., 260 ff. Die Ansicht, daß zwischen der verfassungsmäßigen Präsidial- 
stellung des Kaisers und der Staatsgewalt in Els.-Lothr. eine Personalunion besteht, 
widerspricht so sehr allen Rechtsbegriffen, daß eine Widerlegung kaum nötig ist. 
Die Präsidialrechte sind keine Staatsgewalt, der Kaiser ist nicht Monarch des Reichs 
und so wenig eine Personalunion zwischen Preußen und dem Deutschen Reich be- 
steht, ebensowenig würde eine solche zwischen Els.-Lothr. und dem Deutschen Reich 
möglich sein, selbst wenn der Kaiser Landesherr von Els.-Lothr. wäre. Juristisch 
möglich wäre nur eine Personalunion Els.-Lothringens mit Preußen, nicht mit dem 
Reich. 
2) Der in der Kommission gestellte Antrag, im $ 1 die Worte „im Namen des 
Reichs“ hinzuzufügen, wurde zwar abgelehnt; eine sachliche Bedeutung hat dies aber 
nicht, da sie auch im Ges. v. 9. Juni 1871 $ 3 fehlten und eine Veränderung der recht- 
lichen Stellung des Kaisers nicht eintreten sollte Vgl. den Kommissionsbericht 
(Drucksachen 1909/1911 Nr. 1032) S. 15. Es wird daselbst bemerkt, daß man den 
Wortlaut des Ges. v. 9. Juni 1871 übernommen habe, „um nicht den Anschein zu er- 
wecken, als solle irgend etwas Abweichendes vom bisherigen Recht bestimmt werden. 
Aus der Begründung ergebe sich, daß der Kaiser die Staatsgewalt in Els.-Lothr. wie 
bisher im Namen des Reichs ausüben solle.“
	        
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