Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

112 & 74. Das Eisenbahnwesen. 
die Geltung der landesgesetzlichen Vorschriften über das Eisenbahn- 
wesen und die Autonomie zur Fortbildung dieser Vorschriften sowie 
die Verwaltung der Eisenbahnen durch die Einzelstaaten noch fort. 
Demgemäß sind auch alle Verwaltungsvorschriften für den Eisenbahn- 
betrieb von den Bundesregierungen zu erlassen; denn die im 
Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung dem Bundesrat zugewiesene Be- 
fugnis, die zurAusführung der Reichsgesetze erforderlichen 
allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen, setzt ein Reichsge- 
setz voraus und ist, wenn ein solches nicht vorhanden ist, gegen- 
standslos. 
Neben der Zuständigkeit über das Eisenbahnwesen kommt auch 
die im Art. 4, Ziff. 13 dem Reich zugewiesene Befugnis zur gemein- 
samen Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche Recht in Betracht. 
Von dieser Zuständigkeit hat das Reich Gebrauch gemacht durch 
Erlaß des Haftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871, durch die Regelung 
des Frachtgeschäfts der Eisenbahnen im Handelsgesetzbuch und durch 
den Berner Vertrag'!). Diese Zuständigkeit erstreckt sich in vollem 
Umfange auch aufBayern, welchem im Art. 4, Ziff. 13 kein Reser- 
vatrecht zugestanden ist. Hinsichtlich dieser das Eisenbahnwesen be- 
rührenden privatrechtlichen Vorschriften ist die Autonomie der Ein- 
zelstaaten ausgeschlossen, soweit nicht die Reichsgesetze ausdrücklich 
einen Vorbehalt für dieselbe gemacht haben). 
2. Da der Erlaß eines Reichseisenbahngesetzes einer ungewissen 
Zukunft angehörte und, wie die Erfahrung bestätigte, auf schwer 
zu überwindende Hindernisse stoßen konnte, so nahm man in die 
Bundes-(Reichs-)Verfassung eine Anzahl von Bestimmungen auf, um 
eine vorläufige Ordnungin den wichtigsten Beziehungen anzu- 
bahnen. Man kann den Abschnitt VII der Reichsverfassung als ein 
Eisenbahn-Notgesetz bezeichnen; er sollte auch nicht mehr als 
dies sein und dem Ausbau des Eisenbahnrechts im Wege der Reichs- 
gesetzgebung nicht im Wege stehen). Diese vorläufigen Bestim- 
mungen ließen die freie Verwaltung der Staatsbahnen und das Auf- 
1) Auch auf diejenigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, 
welche auf die durch den Bau und Betrieb der Eisenbahnen entstehenden privat- 
rechtlichen Verhältnisse Anwendung finden, ist hinzuweisen. Sodann kommt auch 
die Zuständigkeit des Reichs zur Gesetzgebung über das Strafrecht und das gericht- 
liche Verfahren in Betracht; insbesondere die Bestimmungen des Reichsstrafgesetz- 
buchs $s 315, 316 über die Transportgefährdung, das Gesetz vom 3. Mai 1886 über 
die Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln, das Gesetz vom 
25. Februar 1876 über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen, das Eisenbahnpost- 
gesetz u. a. 
2) Dies ist geschehen im Einf.-Gesetz zum BGB. Art. 105; 112; 123; 125; im 
Gesetz vom 4. Dezember 1899 über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuld- 
verschreibungen $ 25; Zivilprozeßordnung $ 871. Vgl. auch Grundbuchordnung $ 83. 
3) Auch Hänel]L, S. 637 bezeichnet die Bestimmungen des 7. Abschnittes „als 
Vorgriffe auf die künftige Reichsgesetzgebung“. Aehnlich bezeichnet v. Jagemann 
die Art. 42-45 der Reichsverf. als das Programm einer Entwicklung.
	        
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