20 8 72. Die Konsulate.
ß) In den in $ 122 der Seemannsordnung und im 8 8 des Gesetzes
vom 2. Juni 1902 aufgeführten Kriminalfällen erfolgt die Untersuchung
und Entscheidung durch das Seemannsamt. Gegen den Bescheid kann
der Beschuldigte innerhalb einer zehntägigen Frist von der Verkündigung
oder der Zustellung ab auf gerichtliche Entscheidung antragen. Für
das weitere Verfahren ist dann das inländische Gericht des Heimat-
hafens und eventuell des deutschen Hafens, welchen das Schiff nach
der Straffestsetzung zuerst erreicht, zuständig‘), Lautet der Bescheid
des Konsulates aber auf eine Geldstrafe, so ist er vorläufig vollstreckbar.
Das Konsulat als Seemannsamt ist auch befugt zur Festsetzung von
Geldstrafen gegen einen Schiffsführer, welcher die Unfallverhütungs-
vorschriften nicht befolgt hat (Reichsversicherungsord. 8 1208), sowie
zur Untersuchung der Fahrzeuge auf die Befolgung dieser Vorschriften
($ 1214) und zur Untersuchung von Unfällen im Ausland ($ 1754).
c) Polizeiliche Befugnisse?)
Die Reichskonsuln sind befugt, über die Schiffe der deutschen
Handelsmarine die Polizeigewalt auszuüben?). Auch diese Bestimmung
versteht sich mit der Einschränkung, daß die Konsuln nicht in die
Hoheitsrechte des Staates eingreifen dürfen, in dessen Gebiet sie resi-
dieren. Das Reich kann seinen Konsuln nicht die Polizeigewalt des
fremden Staates, sondern .nur seine eigenen Rechte zur Ausübung über-
tragen. Dem Konsul steht es demgemäß zu, eine Kontrolle über die
Befolgung der in der Seemannsordnung und den andern auf die
Seeschiffahrt bezüglichen Gesetzen des Deutschen Reiches und der
Bundesstaaten enthaltenen Vorschriften auszuüben; insbesondere dar-
auf zu achten, daß die auf die Gesundheit und Sicherheit der Schiffs-
leute bezüglichen Vorschriften nicht verletzt werden. Er wird Klagen
der Schiffsleute über schlechte oder mangelhafte Beköstigung, ordnungs-
widriges Logis, gesundheitsgefährdende Unsauberkeiten usw. abzustellen
und andererseits die dem Schiffer zustehende Disziplinargewalt zu
schützen haben; dagegen steht ihm eine Polizei-Strafgewalt über
Handlungen der Schiffsleute außerhalb des Schiffes nicht zu; ebenso-
wenig eine Einmischung in die eigentliche Hafenpolizei. Wo die ter-
ritoriale Staatsgewalt entweder allgemein den ausländischen Konsuln
eine Polizeigewalt über die unter der Flagge ihres Staates fahrenden
Schiffe zugesteht oder vertragsmäßig dem Deutschen Reich ein solches
1) Auf das Verfahren finden die Vorschriften der $$ 123ff. der Seemannsordn.
Anwendung. Im 8 123 Abs. 4 ist der Bundesrat ermächtigt, das Verfahren vor dem
Seemannsamt durch Verordnung zu regeln. Auf Grund dieser Ermächtigung ist die
Verordnung v. 13. März 1903 (Reichsgesetzbl. S. 42) betr. das Strafverfahren vor den
Seemannsämtern ergangen, und der Reichskanzler hat eine Dienstanweisung betr.
das Strafverfahren vor den Kaiserl. Konsulaten als Seemannsämtern am 30. Mai 1903
(Zentralbl. S. 604) erlassen.
2) Vgl. die ausführliche Darstellung von Roßteuscher in Hirths Annalen
1907, S. 353, 433, 493.
3) Konsulatsgesetz $ 33.