22 8 72. Die Konsulate.
Zu den polizeilichen Befugnissen der Konsuln gehört endlich das
ihnen zustehende Recht, Reichsangehörigen, welche sich in ihrem
Amtsbezirke aufhalten, Pässe zu erteilen und zu visieren sowie die
von fremden Behörden ausgestellten Pässe zum Eintritt in das Bundes-
gebiet zu visieren!). Den Reichsangehörigen dürfen Pässe oder son-
stige Reisepapiere, wenn sie die Erteilung derselben beantragen, nicht
verweigert werden, sofern ihrer Befugnis zur Reise gesetzliche Hinder-
nisse nicht entgegenstehen ?).
In den Konsulargerichtsbezirken werden die den Po-
lizeibehörden zustehenden Befugnisse vom Konsul ausgeübt). Er hat
überdies die allgemeine reichsgesetzliche Ermächtigung, für seinen Ge-
richtsbezirk oder einen Teil des Bezirks polizeiliche Vorschriften mit
verbindlicher Kraft für die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Per-
sonen zu erlassen und deren Nichtbefolgung mit Haft, Geldstrafe bis
1000 Mark und Einziehung einzelner Gegenstände zu bedrohen‘).
d) Vormundschaftliche Befugnisse. Curaabsentis.
In einer Reihe von Fällen liegt den Konsuln eine Fürsorge für
Vermögensinteressen von Reichsangehörigen ob, und sie haben dem-
entsprechend die Befugnis, in diese Vermögensangelegenheiten einzu-
greifen. Diese Tätigkeit fällt durchweg unter den juristischen Begriff
der cura absentis’); es ergeben sich hieraus die rechtlichen Voraus-
setzungen und Schranken. Der Konsul kann nur eingreifen, wenn die
Beteiligten weder selbst zur Stelle sind noch für eine anderweitige
Vertretung ihrer Interessen Sorge tragen. Sobald die Beteiligten in der
Lage sind, ihre Rechte selbst wahrzunehmen, steht es dem Konsul
nicht zu, sie in der Verfügung über ihre Vermögensstücke zu bevor-
munden resp. zu beschränken. Eine fernere Voraussetzung ist, daß
22. Juni 1899 (Reichsgesetzbl. S. 319). Das Verfahren, welches die Konsuln zu beob-
achten haben, ist in der Dienstinstruktion zu $ 30 näher geregelt. Vgl.v. König
S. 510 ff.
1) Konsulatsgesetz $ 25. Vgl. das Gesetz über das Paßwesen vom 12. Oktober
1867 (Bundesgesetzbl. S. 33), $ 6,8. v. König S. 408 ff.
2) Gesetz vom 12. Oktober 1867, $ 1, Abs. 2. Als gesetzliche Hindernisse sind
namentlich zu erachten die Militärpflicht, Polizeiaufsicht, gerichtliche Untersuchung,
berechtigte Einsprache der Landesbehörden. Vgl. Instruktion zu $ 25 des Kon-
sulatsgesetzes.
3) Konsulargerichtsbarkeitsgesetz $ 23, Abs. 4.
4) Das. 851. Die Vorschriften sind sofort dem Reichskanzler mitzuteilen, welcher
befugt ist, sie aufzuheben.
5) Vgl. de Cussy, Reglements consulaires S. 19. Unrichtig würde es sein,
den Konsul als einen negotiorum gestor im gewöhnlichen Sinne des Privatrechts an-
zusehen, welcher sich aus eigener Initiative in fremde Vermögensangelegenheiten
einmengt. Der Konsul hat vielmehr einen staatlichen Auftrag. Er ist dazu
berufen, die dem Staate gestellte Aufgabe zum Schutz und zur Wohlfahrtspflege sei-
ner Angehörigen, außerhalb des Staatsgebiets in dem Umfange zu erfüllen, als das
Völkerrecht es zuläßt. Dieser Gesichtspunkt ist hinsichtlich der zivilrechtlichen
Verantwortlichkeit des Konsuls gegenüber denjenigen Personen, deren Ver-
mögensinteressen er wahrzunehmen hat, von Wichtigkeit.