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Achtung würdig zu zeigen, welche sein Beruf erfordert. Verletzungen
dieser Pflichten können die Löschung der Eintragung des Patentan-
walts zur Folge haben. Die Entscheidung erfolgt in einem ehrenge-
richtlichen Verfahren. Das Ehrengericht besteht aus zwei Mitgliedern
des Patentamtes, einem rechtskundigen und einem technischen, sowie
drei Patentanwälten. Den Vorsitz führt das rechtskundige Mitglied
des Patentamtes ').
8 80. Die Seeschiffahrt und die Wasserstraßen *).
I. Die Einheitlichkeit der Handelsmarine. Art. 54,
Abs. 1 der Reichsverfassung stellt den Grundsatz auf: »Die Kauffahrtei-
schiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine«.
Das Wort »einheitlich« wird hier in einem völlig anderen Sinne ver-
wendet wie im Art. 53 von der Kriegsmarine, oder im Art. 48 von der
Post und Telegraphie, oder im Art. 42 vom Eisenbahnnetz, oder im
Art. 63 vom Heer. Die Handelsmarine ist keine Anstalt des Reiches
oder der Einzelstaaten ?); eine staatliche Verwaltung der Handels-
marine gibt es nicht, also kann es auch keine zentralisierte Reichs-
verwaltung derselben geben. Da alle zur Handelsmarine gehörenden
Fahrzeuge im Privateigentum stehen und zum privaten Gewerbebe-
trieb benutzt werden, so werden sie auch von den einzelnen Eigen-
tümern verwaltet, welche hierbei den allgemeinen gewerbepolizeilichen
und den besonderen für das Seeschiffahrtsgewerbe erlassenen Vor-
schriften unterworfen sind. Aber selbst wenn man die Durchführung
dieser Vorschriften und die Beaufsichtigung ihrer Befolgung als »Ver-
waltung der Handelsmarine« bezeichnen dürfte, so gäbe es auch in
diesem Sinne keine »einheitliche« Verwaltung seitens des Reichs. Diese
Tätigkeit liegt vielmehr den Einzelstaaten in demselben Umfange wie
die Verwaltung der Gewerbepolizei überhaupt ob und das Reich ist
auch auf diesem Gebiete auf die Gesetzgebung und Oberaufsicht be-
schränkt. Ausgenommen sind zwei vereinzelte Fälle einer weiter-
reichenden Kompetenz des Reiches, welche bereits oben S. 200 fg. und
S. 217 fg. erwähnt worden sind; sie betreffen die Funktionen des Schiffs-
1) Die näheren Vorschriften über das ehrengerichtliche Verfahren enthalten die
SS 7—14 des Gesetzes.
* Literatur: Reitz in Hirth’s Annalen 1874, S. 55 ff.; Perels, Handbuch
des allgemeinen öffentl. Seerechts im Deutschen Reich, 2. Aufl., Berlin 1901; Wag-
ner, Handbuch des Seerechts, Leipzig 1884, S. 9 ff.; G. Meyer-Dochow, Ver-
waltungsrecht $ 100 ff.; Zorn, Staatsrecht II, S. 822fg.; Hänel, Staatsrecht ],
S. 628 fg.; Lewis im Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Art. „Flagge“,
Bd. 1, S.421 ff.; Apt im Wörterbuch des Verwaltungsrechts von Stengel-Fleischmann
Bd. I, S. 809 ff.; Pappenheim, Handbuch des Seerechts, Leipzig 1906.
2) Hänel S. 630 sagt allerdings, daß durch die Seemannsordnung vom 27. De-
zember 1872 „die Seeschiffahrt zu einer Öffentlich regulierten Beförderungs-
anstalt erhoben worden sei“. Es ist dies aber wohl nur eine bombastische Rede-
wendung.