Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 369 
der Tat dazu nötigen, sehr umfangreiche Partien des Straf- und Zivil- 
prozeßrechts hier aufzunehmen, die, aus dem Zusammenhange mit 
den übrigen Lehren des Prozeßrechts gerissen, des wissenschaftlichen 
Interesses ermangeln. Hierhin gehören im Strafprozeß die Befugnisse 
der Gerichte und anderen bei der Strafverfolgung mitwirkenden Be- 
hörden zur Beschlagnahme, zur Durchsuchung, zur Verhaftung und 
vorläufigen Festnahme, zur Vorführung des Beschuldigten, sowie die 
gesamte Lehre von der Strafvollstreckung; im Zivilprozeß der Zwang 
zum persönlichen Erscheinen der Parleien, die Editionspflicht und 
ebenfalls die gesamte Lehre von der Zwangsvollstreckung. Die Dar- 
stellung aller dieser Rechtsmaterien ist daher mit Vorbedacht hier 
übergangen worden. 
8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 
I. Gerichtsbar ist dem Wortsinne nach alles, was zunı Ge- 
schäftskreise oder zur Zuständigkeit der Gerichte gehört, was geeignet 
ist, vor Gericht gebracht und daselbst verhandelt und erledigt zu 
werden. Gerichtsbarkeit im objektiven Sinne ist die Gesamtheit dieser 
Angelegenheiten; Gerichtsbarkeit im subjektiven Sinne ist die Befugnis, 
diese Angelegenheiten in rechtswirksamer Weise zu erledigen, resp. 
die zu ihrer Erledigung bestimmten Gerichte einzusetzen und die Art 
und Weise der Erledigung zu regeln. Eine materielle, juristisch 
verwendbare Definition der Gerichtsbarkeit aber kann nicht im allge- 
meinen gegeben werden, so sehr man sich auch bemüht hat, eine 
solche aufzustellen, da unter der Bezeichnung »Gericht« sehr zahl- 
reiche und verschiedenartige Behörden verstanden werden, und die 
Abgrenzung der Geschäfte, welche den als Gerichten bezeichneten Be- 
hörden zugewiesen sind, eine wechselvolle und willkürliche ist. Nur 
mit Rücksicht auf ein bestimmtes positives Recht und eine bestimmte 
positive Behördenverfassung kann man die Gerichtsbarkeit definieren, 
d. h. alle diejenigen Angelegenheiten aufzählen, welche »gerichtsbar« 
sind. Die Gerichtsbarkeit bildet den Gegensatz zu den durch die Ver- 
waltungsbehörden zu führenden Geschäften; aber dieser Gegensatz fällt 
nicht zusammen mit dem Gegensatz der Verwaltung und Rechtspre- 
chung; denn die Gerichtsbarkeit umfaßt auch Verwaltungsgeschäfte, 
soweit dieselben nämlich den »Gerichten« obliegen, und es kann anderer- 
seits den »Gerichten« die Erledigung gewisser Rechtsstreitigkeiten ent- 
zogen und Verwaltungsbehörden übertragen sein (vgl. Bd. 2, $ 64). 
II. Nach den verschiedenen Kategorien von Gerichten oder nach 
den verschiedenen Kategorien der den Gerichten übertragenen Ge- 
schäfte lassen sich zahllose Einteilungen der Gerichtsbarkeit auf- 
stellen?). 
1) Eine Zusammenstellung solcher Einteilungen ist praktisch und theoretisch 
gänzlich wertlos; sie kann höchstens gewissen scholastischen Gewohnheiten und Nei- 
Laband, Staatsrecht. 5. Aufl. III 24
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.