Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

376 8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 
standes nicht stören solle. Aber nicht nur an die Parteien ist dieser 
Befehl gerichtet, sondern er erstreckt seine Wirkungen auch auf die 
Staatsbehörden, insbesondere auf die Gerichte selbst. Auch sie 
haben das rechtskräftige Urteil als die staatlich anerkannte und mit 
Rechtsschutz ausgestattete Normierung eines Rechtsverhältnisses anzu- 
sehen und es bei den weiteren Verfügungen, z. B. zum Zweck der 
Sicherstellung oder Vollstreckung, oder ferneren (konsekutiven) Entschei- 
dungen zu befolgen, ohne daß es ihnen gestattet ist, die Richtigkeit 
desselben in Frage zu ziehen. Dies alles gilt auch von den sogenann- 
ten Feststellungsurteillen. Auch sie enthalten die Imperative an 
die Parteien wie an die Organe der Rechtspflege, sich so zu verhalten, 
wie es den aus dem Feststellungsurteil abzuleitenden logischen Schluß- 
folgerungen entspricht. Auch auf die sogen. konstitutiven Urteile fin- 
det dies Anwendung, wenn sie auch scheinbar und direkt einen Be- 
fehl nicht enthalten. Das Urteil, ob eine Handelsgesellschaft, Aktien- 
gesellschaft oder Genossenschaft besteht oder nicht, ob eine Ehe gül- 
tig oder nichtig ist, ob eine Person ehelich oder unehelich abstammt 
usw., verpflichtet alle, die es angeht, Privatpersonen und Behörden, 
sich hinsichtlich aller aus dem Urteil sich ergebenden Rechtsfolgen 
nach ihm zu richten, enthält also einen auf den konkreten Fall ge- 
richteten Befehl. 
Nur in dem letzteren Bestandteil des Urteils, in der Bereitstellung 
der staatlichen Macht zur Sicherung des urteilsmäßig festgestellten 
subjektiven Rechts, liegt die spezifisch staatsrechtliche Funktion. 
Der Schwerpunkt liegt darin, daß die Herrschermacht des Staates 
hinter dem Urteil steht und dem in demselben enthaltenen Befehl 
Befolgung sichert. Dies ist das Wesen der »staatsrecht- 
lichen Rechtskrafte«e, die mit der prozessualischen Rechtskraft, 
d. h. Unanfechtbarkeit, Endgültigkeit der Entscheidung, nicht zu- 
sammenfällt?). 
Dem scheint zwar der äußere Vorgang und der Wortlaut des Ur- 
teils zu widersprechen; es wiederholt sich hier aber nur eine Erschei- 
nung, die auf dem Gebiete des Staatsrechts uns mehrfach entgegenttritt, 
daß nämlich der eigentlich maßgebende, den juristischen Vorgang 
enthaltende Akt zurücktritt gegenüber denjenigen Vorbereitungshand- 
lungen, die aus tatsächlichen Gründen die überwiegende praktische 
Bedeutung haben. Bei der Gesetzgebung liegt der Schwerpunkt tat- 
1) In vollkommener Uebereinstimmung hiermit sagt das Reichsgericht, 
Entsch. in Zivilsachen Bd. 16, 421: „Vollstreckbar sind auch rechtskräftige 
richterliche Urteile, welche nur das Bestehen eines Rechtsverhältnisses feststellen 
(8 231 Zivilprozeßordnung) oder eine Partei zur Abgabe einer Willenserklärung ver- 
urteilen (8 779 Zivilprozeßordnung) oder die Klage abweisen, obwohl daraus keine 
eigentliche Zwangsvollstreckung stattfindet. Der Ausdruck ‚vollstreckbar‘, den die 
Zivilprozeßordnung vom Urteile braucht, bedeutet nicht so viel wie ‚vollstreckungs- 
fähig‘, sondern kennzeichnet nur das Urteil als gültig, rechtswirksam, unanfechtbar. 
Zum Belege dessen darf auf 8 648 a. a. O. verwiesen werden.“
	        
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