Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

382 $ 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 
b) So wie der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit auf den 
Gegensatz von Privatrecht und öffentlichem Recht hinweist, so beruht 
der Begriff der Strafsache, der dem Begriff der öffentlichen 
Rechtsstreitigkeit untergeordnet ist, auf dem Gegensatz des Straf- 
rechts gegenüber der Verwaltungs- und Disziplinarzwangsgewalt und 
den zur Durchführung derselben gegebenen Mitteln. Eine Rechts- 
sache, bei welcher nicht die Anwendung eines Strafgesetzes in Frage 
steht und das Endziel des Verfahrens bildet, ist keine »Strafsache«. 
Hier ist die Grenze verhältnismäßig sicherer wie bei den bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten. Zum großen Teil ist sie auch hier vom Reiche 
durch die Strafgesetzbücher und die einzelnen Strafgesetze, sowie durch 
die Reichssteuer- und Verwaltungsgesetze gezogen !); zum andern Teil 
ist sie durch die Landesstrafgesetzgebung bestimmt. Aber auch 
hier besteht keine vollständige Gleichheit des Rechts, da die Autono- 
mie der Einzelstaaten auf dem ihr überlassenen Gebiete den Kreis der 
staatlichen und gesellschaftlichen Interessen, die durch Strafsatzungen 
geschützt werden, verschieden abgegrenzt hat. 
3. Versagung des Rechtsweges. Wenngleich im allge- 
meinen davon auszugehen ist, daß die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
und Strafsachen zur Entscheidung der Gerichte gestellt werden, die 
staats- und verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten dagegen von anderen 
Behörden erledigt werden, so ist dieser Grundsatz doch in der Durch- 
führung manchen Schwankungen und Ausnahmen ausgesetzt. Insbe- 
sondere können gewisse Streitsachen, welche sich nach der Natur des 
zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses als bürgerliche Rechtsstreitig- 
keiten oder als Strafsachen charakterisieren, dennoch der Entschei- 
dung durch die Gerichte entzogen und Verwaltungsbehörden oder 
Verwaltungsgerichten überwiesen sein, weil sich an die Art der Be- 
handlung und Erledigung dieser Angelegenheit ein besonderes ver- 
waltungsrechtliches oder politisches Interesse knüpft. Welche Ange- 
legenheiten dies sind, ist nicht durch ein einfaches und gemeingültiges 
Prinzip bestimmt; es beantwortet sich vielmehr diese Frage in jedem 
Einzelstaate nach dem Gesamtinhalte seines Rechts. Von der ordent- 
lichen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen sind demnach nicht nur alle An- 
gelegenheiten, welche ihrer Natur nach überhaupt keine bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten oder Strafsachen sind, sondern auch diejenigen 
Rechtssachen, welche zwar an sich dem Begriff der bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten oder Strafsachen sich unterordnen ließen, für wel- 
che aber kraft positiver Rechtsvorschrift die Zuständigkeit von Ver- 
waltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründetist. Das Reich 
hat für eine nicht unerhebliche Anzahl von Fällen die gesetzliche An- 
ordnung getroffen, daß für sie der Rechtsweg nicht ausgeschlossen 
1) Vgl. Löwe, Strafprozeßordnung (9. Aufl.) S. 31 fg., 187 ff., 198 ff. John, 
Strafprozeßordnung I, S. 765 ff. Kries, Strafprozeßrecht S. 68. v. Liszt, Lehr- 
buch des Strafrechts 8 60.
	        
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