Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

392 8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 
freiungen anerkannt, welche teils auf völkerrechtlichen, teils auf staats- 
rechtlichen Gründen beruhen. 
1. Befreiungen aus Gründen des Völkerrechts. 
a) Exterritorialität und infolge derselben vollständige Exemlion 
von der ganzen inländischen Gerichtsbarkeit genießen außer den aus- 
ländischen Souveränen und Staaten!) die Chefs und Mit- 
glieder der bei dem Deutschen Reiche beglaubigten Missionen‘). Das- 
selbe gilt von ihren Familiengliedern, ihrem Geschäftspersonal und 
von solchen Bediensteten derselben, welche nicht Deutsche sind’). 
Die Exterritorialität erstreckt sich jedoch nicht auf den ausschließ- 
lichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten °). 
Die im Deutschen Reiche angestellten Konsuln sind von der in- 
ländischen Gerichtsbarkeit nur befreit, insofern dies in Verträgen des 
Deutschen Reiches mit anderen Mächten vereinbart worden ist). 
b) Gesandte oder andere völkerrechtliche Vertreter auswärtiger 
Mächte, welche nicht bei dem Reich, sondern nur bei einem Bundes- 
staate beglaubigt sind, und ebenso diplomatische Vertreter eines Bun- 
desstaates bei einem anderen Bundesstaate gelten nur diesem Bundes- 
staate gegenüber als exterritorial und sind deshalb auch nur von der 
Gerichtsbarkeit dieses Staates, nicht von derjenigen der übrigen 
Bundesstaaten oder des Reiches eximiert‘); sie können daher bei 
allen Gerichten außerhalb des Bundesstaates, bei welchem sie beglau- 
bigt sind, im Wege des Zivilprozesses und des Strafprozesses verfolgt 
werden, wofern nur ein Gerichtsstand für sie begründet ist. Hinsicht- 
lich der Exemtion in dem Bundesstaat gelten im übrigen auch für 
1) Vgl. hierzu die eingehenden Erörterungen von v. Bar, Theorie und Praxis 
des internationalen Privatrechts (1889), II, S. 621 ff. Ueber die Zuständigkeit inlän- 
discher Gerichte gegenüber fremden Souveränen und Staaten ebendaselbst 
S. 660 ff. und Gabba im Journal du droit internat. prive XV (1888), S. 180 ff.; XVI 
(1889), S. 538 ff.; v. Kries, Strafprozeßrecht (1892) S. 85 fg.; Beling, Die strafr. 
Bedeutung der Exterritorialität (1896); Benneke, Strafprozeßrecht S. 37; Edge. 
Löning, Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und Souveräne, Halle 1903. Vgl. 
ferner die Rechtsgutachten in der Sache v. Hellfeld gegen den russischen Fiskus, 
welche in der Zeitschrift f. Völkerrecht und Bundesrecht Bd. 4 (1910) S. 309—448 ab- 
gedruckt sind, sowie Triepel im Archiv des öffentl. Rechts Bd 28., S. 212 ff. und 
Bornhak im Jahrb. des öffentl. Rechts Bd. 5, S. 230 ff. Urteil des Reichsgerichts 
vom 12. Dezember 1905. Entsch. in Zivils. Bd. 62, S. 165. 
2) Gerichtsverfassungsgesetz 8 18, Abs. 1. Ausgenommen ist nur der selten vor- 
kommende Fall, daß solche Personen reichsangehörig sind; alsdann sind sie von 
der inländischen Gerichtsbarkeit nur dann befreit, wenn der Staat, dem sie angehören, 
sich der Gerichtsbarkeit über sie begeben hat. Vgl. v. Bar S. 650. 
3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 19. Die Exterritorialität des Geschäftsper- 
sonals ist eine unbedingte, die des Dienstpersonals ist auf Nichtdeutsche beschränkt. 
4) Gerichtsverfassungsgesetz $ 20. Zivilprozeßordnung $ 24. 
5) Gerichtsverfassungsgesetz 8 21. Der Staatsvertrag ist daher auch für den 
Umfang der Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit maßgebend. 
6) Gerichtsverfassungsgesetz $ 18, Abs. 2.
	        
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