Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 88. Die Gerichtsverfassung. 425 
reich und Baden die Bestimmungen des Rechtshilfevertrages vom 
16. April 1846 in Geltung stehen und auf die Beziehungen zwischen 
Frankreich und Elsaß-Lothringen ausgedehnt worden sind'). 
Durch den internationalen Vertrag über den ZivilprozeB vom 
17. Juli 1905 (Reichsgesetzbl. 1909, S. 409) ist unter den Vertragsstaaten 
eine Rechtshilfe hinsichtlich der Zustellungen und der Vollstreckung 
der Urteile über Prozeßkosten vereinbart worden ?). 
$ 88. Die Gerichtsverfassung. 
Da jede Prozeßordnung eine bestimmte Gerichtsverfassung zur 
Voraussetzung hat und sich auf diese bezieht, so hat die Gesetzgebung 
des Reiches bei Erlaß gemeinrechtlicher Prozeßordnungen auch die 
Grundzüge der Gerichtsorganisation für das ganze Bundesgebiet ein- 
heitlich regeln müssen. Um die Struktur und den Aufbau der Gerichts- 
verfassung und den Platz, welchen die einzelnen Gerichte dabei ein- 
nehmen, richtig würdigen und den Zusammenhang des Ganzen klar 
übersehen zu können, ist es aber notwendig, daß man die Gerichts- 
ordnung von zwei ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet, 
die man als den prozessualischen und den organisato- 
rischen oder verwaltungsrechtlichen bezeichnen kann. 
Von dem prozessualischen Gesichtspunkte aus erscheinen die Gerichte 
als beschließende und erkennende Behörden und ihr gegen- 
seitiges Verhältnis ergibt sich aus ihrer Zuständigkeit und ihrer Unter- 
und Ueberordnung im Instanzenzuge. Vom organisatorischen Gesichts- 
punkte aus betrachtet, sind die Gerichte administrative Bildungen, 
Bestandteile des staatlichen Behördensystems, die zwar zu Zwecken 
der Rechtspflege geschaffen und dieser Bestimmung gemäß eingerichtet 
sind, die aber als solche gar keine oder wenigstens regelmäßig keine 
prozessualen Funktionen ausüben. Es ergeben sich hiernach zwei 
Systeme von Gerichten, je nachdem die letzteren nach prozessualen 
oder nach organisatorischen Rücksichten gruppiert werden; beide Ord- 
nungen stehen miteinander in einem engen Zusammenhang und be- 
einflussen sich gegenseitig, sind aber doch voneinander verschieden. 
Für den Zivil- und Strafprozeß hat jene, für das Staatsrecht diese Seite 
der Gerichtsverfassung das überwiegende Interesse; in dem vom Reich 
die Leistung der Rechtshilfe sind enthalten indem Zollkartell 8$ 17—24 (Reichs- 
gesetzbl. 1892, S. 67). 
1) Frankfurter Vertrag vom 11. Dezember 1871, Art. 18 (Reichsgesetzbl. 1872, 
S. 20). 
2) Vgl. das Gesetz vom 5. April 1909 (Reichsgesetzbl. S. 430). Besondere Ab- 
machungen sind mit Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen getroffen worden. 
Bekanntm. vom 16. August 1909 (Reichsgesetzbl. S. 907). Ferner mit Schweden, der 
Schweiz, Oesterreich und Dänemark (Reichsgesetzbl. 1910 S. 456; 674; 871); mit Frank- 
reich durch Vereinbarung vom 6. April 1911 (Reichsgesetzbl. S. 161); mit Bulga- 
rien durch Vertrag vom 29. September 1911 (Reichsgesetzbl. 1913, S. 457).
	        
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