Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 88. Die Gerichtsverfassung. 439 
Tätigkeit erfolgt durch Anordnung der Landesjustizverwaltung'). Man 
darf aber eine derartige Strafkammer sich nicht als eine gewöhnliche 
Landgerichtsstrafkammer denken, welche nur entfernt von dem Sitze 
des Landgerichts und mit Beschränkung ihrer Zuständigkeit für einen 
abgegrenzten Teil des Landgerichtsbezirkes errichtet wird. Ihre Bildung 
unterliegt vielmehr sehr abweichenden .Begeln?). Dieselbe kann nicht 
nur mit Mitgliedern des Landgerichts, sondern auch mit Amtsrichtern 
desjenigen Bezirks, für welchen die Kammer gebildet wird, besetzt 
werden. Sie erhält einen ständigen Vorsitzenden, den die Landes- 
justizverwaltung ernennt. Derselbe braucht nicht Landgerichtsdirektor 
zu sein; er kann aus den Mitgliedern des Landgerichts oder den Amts- 
richtern des Bezirks genommen werden. Er gehört nicht zum Prä- 
sidium des Landgerichts und das letztere hat keinen Einfluß auf die 
Zuweisung des Vorsitzes in einer auswärtigen Strafkammer. Er wird 
ständigernannt, d. h. nicht bloß auf die Dauer eines Geschäfts- 
jahres und auch nicht auf beliebigen Widerruf; ist der Vorsitz aber 
als Nebenamt mit einem Hauptamt verbunden, so erfolgt die Ernen- 
nung nur für die Dauer des Hauptamtes. Es kann keinem Mitgliede 
des Landgerichts wider seinen Willen der Vorsitz in einer auswärtigen 
Strafkammer als Amtsohliegenheit übertragen werden. Ferner werden 
die Amtsrichter, welche den Strafkammern angehören sollen, 
durch die Landesjustizverwaltung berufen; aber nur auf die Dauer 
des Geschäftsjahres. Dagegen finden hinsichtlich der Mitglieder des 
Landgerichts, welche der auswärtigen Strafkammer zugewiesen werden 
sollen, die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes Anwendung; 
sie werden also durch das »Präsidium« des Landgerichts bezeichnet. 
d) Eine andere anomale Bildung bei den Landgerichten sind die 
Kammern für Handelssachen. Dieselben können bei den 
Landgerichten errichtet werden, soweit die Landesjustizverwaltung ein 
Bedürfnis als vorhanden annimmt; ihre Zuständigkeit kann für den 
ganzen Bezirk des Landgerichts oder für örtlich abgegrenzte Teile des- 
selben normiert werden; sie können am Sitz des Landgerichts oder 
an anderen Orten des Landgerichtsbezirks ihren Sitz erhalten). Ihnen 
gehört nur ein berufsmäßiger Richler an, der zugleich den Vorsitz 
führt. Ueber die Art und Weise, wie derselbe bestellt wird, hat das 
Reichsgesetz nichts bestimmt; es hat nur die negative Bestimmung ge- 
troffen, daß die für die Bildung der Zivilkammern und die Bestellung 
ihrer Vorsitzenden in den 88 61—66 gegebenen Vorschriften auf die 
Kammern für Handelssachen keine Anwendung finden ‘'), und es hat 
zugelassen, daß für eine außerhalb des Landgerichtssitzes errichtete 
1) $ 78, Abs. 1 cit. Ueber die Zuständigkeit der auswärtigen Strafkammern im 
Verhältnis zum Landgericht vgl. Löwe Note 4 zu $ 78. 
2) Vgl. 8 78, Abs. 2 a. a. 0. 
3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 100. 
4) Gerichtsverfassungsgesetz & 67.
	        
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