Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

496 8 92. Die Zeugenpflicht. 
und!) ihres Aufenthalts am Orte der Versammlung an diesem Orte zu 
vernehmen. Zur Abweichung hiervon bedarf es in betreff der Mit- 
glieder des Bundesrats der Genehmigung des Landesherrn, in betreff 
der Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung der Genehmigung der 
letzteren ?). 
V. DerInhaltder Zeugenpflicht. Die Zeugenpflicht hat 
einen dreifachen Inhalt und löst sich demnach in drei Bestandteile auf, 
die in mancher Hinsicht verschiedenen Regeln unterliegen, nämlich die 
Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, die Pflicht, die wahrheitsgemäße 
Aussage zu machen, und die Pflicht, den Zeugeneid zu leisten. 
1. Die Erscheinungspflicht. Wer vor einem Gericht als 
Zeuge geladen ist, muß diesem Befehle gemäß sich vor dem Gericht 
stellen; dies gilt auch von den eben erwähnten hohen Beamten usw., 
welche im 849 der Strafprozeßordnung und im 8 382 der Zivilprozeß- 
ordnung aufgeführt sind; ihr Privilegium besteht allein darin, daß die 
Erscheinungspflicht für sie auf die Gerichte eines gewissen Ortes be- 
schränkt ist. Die Erscheinungspflicht ist derjenige Bestandteil der 
Zeugenpflicht, der den weitesten Umfang und eine unbedingte Erzwing- 
barkeit hat; auch diejenigen Personen, welche im gegebenen Falle zur 
Verweigerung der Aussage gesetzlich berechtigt sind, müssen der Ladung 
Folge leisten. Eine ordnungsmäßige Ladung muB den Hinweis auf die 
gesetzlichen Folgen des Ausbleibens enthalten, in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten überdies die Bezeichnung der Parteien und die Tatsachen, 
über welche die Vernehmung erfolgen soll?). Die Verletzung der Er- 
scheinungspflicht von seiten eines ordnungsmäßig geladenen 
Zeugen hat folgende Wirkungen: 
a) Der ausgebliebene Zeuge ist in die durch das Ausbleiben ver- 
ursachten Kosten sowie zu einer Geldstrafe bis zu 300 Mark und für 
den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft 
bis zu 6 Wochen zu verurteilen. Im Falle wiederholten Ausbleibens 
1) D. h. wenn beide Voraussetzungen zusammentreffen. Löwe Note 8 zu 
8 49 eit. 
2) Strafprozeßordnung $ 49, Abs. 2u.3; Zivilprozeßordnung 8 382, Abs. 2. u. 3. 
3) Strafprozeßordnung 8 48, Abs. 1; Militärstrafgerichtsordnung $ 185, Abs. 2; 
Zivilprozeßordnung $ 377. Die Ladung erfolgt auf Anordnung des Gerichts. Im 
Strafprozeß werden jedoch die zur Hau ptverhandlung erforderlichen Ladungen von 
der Staatsanwaltschaft bewirkt und zwar entweder auf Anordnung des Vorsitzenden 
des Gerichtes oder aus eigener Entschließung, Strafprozeßordnung $$ 213, 220, 221, 
Abs. 2; und dem Angeklagten steht das Recht zu, Personen auch unmittelbar laden 
zu lassen, indem er den Gerichtsvollzieher mit der Ladung beauftragt. Ebendaselbst 
8$ 219, 38. Vgl. Militärstrafgerichtsordnung $ 269. Im Zivilprozeß wird die Ladung 
der Zeugen von dem Gerichtsschreiber unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluß 
ausgefertigt und von Amts wegen zugestellt. Zivilprozeßordnung $ 377. Die Ladung 
einer dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Person des Sol- 
datenstandes erfolgt durch Ersuchen der Militärbehörde. Strafprozeßordnung 8 48, 
Abs. 2; Zivilprozeßordnung $ 378. Vgl. hierzu die Feststellung des Begriffs „Mili- 
tärbehörde“ im Zentralblatt des Deutschen Reichs 1880, S. 480.
	        
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