S 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 49
als Einheit handelt. Die Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen
Post- und Telegraphenverwaltungen steht nach Art. 50, Abs. 2 der Reichs-
verfassung dem Kaiser zu. Die bayrische und die württembergische
Postverwaltung haben jedoch die Befugnis, ihren eigenen unmittel-
baren Verkehr mit ihren dem Reiche nicht angehörenden Nachbar-
staaten zu regeln unter Beobachtung der im Art. 49 des Postvertrages
vom 23. November 1867 getroffenen Bestimmungen') (Reichsverfassung
Art 52, Abs. 3).
5. Die Selbständigkeit der Verwaltungen Bayerns und Württem-
bergs hat die Folge, daß der Verkehr zwischen diesen Gebieten un-
tereinander, sowie zwischen diesen Gebieten und dem übrigen Reichs-
gebiet und die rechtlichen Beziehungen unter diesen Verwaltungen
nicht staatsrechtlich, sondern vertragsmäßig geregelt sind, wobei
selbstverständlich die in den Postgesetzen des Deutschen Reiches auf-
gestellten Regeln die rechtlichen Grenzlinien für die Vertragsfreiheit
der Verwaltungen abgeben. Die Grundlage für diese Vereinbarungen
bilden noch gegenwärtig der zwischen dem Norddeutschen Bunde und
den süddeutschen Staaten abgeschlossene Postvertrag vom 29. No-
vember 1867 ?), welcher nach der Gründung des Reiches eine Abän-
derung und Ergänzung durch die Uebereinkunft vom 9. No-
vember 1872 erhalten hat’), und der Telegraphenvereins-
vertrag vom 25. Oktober 1868, welcher seit dem 1. Januar 1872 eine
erhebliche Veränderung insbesondere hinsichtlich der Tarifsätze er-
fuhr *).
Hinsichtlich des Postverkehrs besteht demgemäß eine dreifache
Unterscheidung:
a) Derinnere Verkehr, wofern die Postsendung nur das Ge-
biet einer der drei Verwaltungen berührt.
b) Der Wechselverkehr, wenn der Transport der Postsen-
dung innerhalb des Reichsgebietes (Reichspostgebiet, Bayern, Württem-
berg) ausgeführt wird, aber das Gebiet von mindestens zwei Verwal-
tungen berührt. Jedoch werden auch die Oesterreichisch-Ungarische
1) Bundesgesetzbl. 1868, S. 63. Die hier in Betracht kommenden Bestimmungen
dieses Vertrags gehen dahin, daß bei den Verhandlungen mit fremden Regierungen,
welche eine Postverwaltung einleitet oder führt, die anderen verbündeten Postver-
waltungen in Kenntnis gesetzt werden sollen, ferner daß der Abschluß des Vertrages,
soweit es tunlich ist, gemeinschaftlich bewirkt wird, und endlich daß jedenfalls durch
die Verträge dahin Vorsorge getroffen wird, daß die der einen deutschen Verwaltung
zugebilligten Erleichterungen des Verkehrs in gleicher Weise und unter denselben
Bedingungen auch auf den durch diese Verwaltung stückweise vermittelten Korrespon-
denzverkehr der anderen deutschen Postgebiete zur Anwendung gelangen.
2) Bundesgesetzbl. 1868, S. 41 ff.
3) Abgedruckt in Hirths Annalen 1873, S. 1257 ff. aus dem amtlichen „Handbuch
für den Wechselverkehr usw.“ Berlin 1872 (Decker).
4) Die gegenwärtigen Tarifsätze sind bestimmt durch die Telegraphenordn. v.
16. Juni 1904.