Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

60 $ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
pflichtet, sowohl die Pränumeration anzunehmen, wie den gesamten 
Debit derselben zu besorgen !). 
Vgl. ferner die Postscheckordnung $ 1 Abs. 1. 
4. Auf der Eigenschaft der Post als einer öffentlichen Verkehrs- 
anstalt beruht die Verpflichtung derselben zur Bewahrung des soge- 
nannten Briefgeheimnisses?) Dieser Ausdruck, der für den In- 
halt der in Rede stehenden Verpflichtung eine keineswegs zutrefiende 
Bezeichnung ist, könnte den Gedanken erwecken, als sei das Brief- 
geheimnis das Korrelat des Briefmonopols. Dies ist aber in keiner 
Beziehung der Fall; weder der Umfang des Briefgeheimnisses noch 
die davon bestehenden Ausnahmen noch die Rechtsfolgen der Ver- 
letzung desselben stehen in irgendeinem logischen oder juristischen 
Zusammenhange mit dem Postzwange, sondern sie beruhen lediglich 
auf dem Prinzip, daß Post und Telegraphie nicht Privatunternehmungen 
des Fiskus, sondern Zweige des öffentlichen Staatsdienstes sind. 
a) Der Umfang des Briefgeheimnisses umfaßt alle Arten von 
Postsendungen und telegraphischen Depeschen. Die Verpflichtung be- 
zieht sich also nicht bloß auf verschlossene Briefe und auf Tele- 
gramme, d. h. auf die dem Postzwange unterworfenen Gegenstände, 
sondern auch auf unverschlossene Briefe (Postkarten), Postanweisungen, 
Pakete usw. Den Postbeamten ist ferner nicht nur untersagt, über den 
1) Aus dieser Gesetzesbestimmung übrigens herleiten zu wollen, daß die Post- 
verwaltung einer landesgesetzlich zulässigen Anordnung der Landespolizeibehörde, 
welche die Ausgabe und Verbreitung einer gewissen Zeitung verbietet, nicht Folge 
leisten dürfe, ist eine Verkennung des Sinnes des 8 3 des Postgesetzes. Denn dieser 
Paragraph regelt lediglich die Verpflichtung der Post zur Uebernahme der von ihr 
betriebenen Geschäfte. DiePostverwaltung ist daher allerdings nicht be- 
fugt, aus eigener Initiative gewissen Zeitungen die Beförderung oder Verteilung an 
die Abonnenten zu versagen; im postmäßigen Betriebe muß sie alle ihr aufgetrage- 
nen Geschäfte nach gleichen Grundsätzen ausführen. In die preßpolizeilichen 
Befugnisse greift dagegen der $3 des Postgesetzes gar nicht ein. Ist die Verbreitung 
einer Zeitung in einem Lande polizeilich verboten, so wird die Postverwaltung den- 
jenigen, der diese Zeitung bestellen will, davon zu verständigen haben. Besteht der- 
selbe auf der Bestellung, so muß sich die Post diesem Auftrage zwar unterziehen 
und die einzelnen Nummern in der für alle Zeitungen üblichen Weise befördern, aber 
die eingetroffenen Exemplare sind zunächst nicht auszugeben, sondern für die Abon- 
nenten bis zu dem Zeitpunkt aufzuheben, wo das Verbot der Verbreitung zurückge- 
nommen wird. Sind Zeitungen von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht mit 
Beschlag belegt, so sind sie an das Gericht auszuliefern. Das Verbot der Verbreitung 
und die Beschlagnahme sind nicht identisch. Nach Einführung des Reichspreßgesetzes 
in Elsaß-Lothringen durch das Landesgesetz vom 8. August 1898 (Gesetzbl. f. E.-L. 
S. 73) hat dies nur noch Bedeutung für die außerhalb des Reichsgebiets herausgege- 
benen Druckschriften. 
2) Postgesetz 85. Telegraphengesetzä$8. „Das Brief- (Telegraphen-) 
Geheimnis ist unverletzlich.“ E. Gerhard, Der strafrechtl. Schutz des Briefes. 
Karlsr. 1905; Anschütz, Die Verf.-Urk. f. den preuß. Staat, Bd. I, S. 55lff., 1912 
zu Art. 33); Scholz im Wörterb. des StuVR. von v. Stengel-Fleischmann, Bd. I, 
S. 529ff.; Köhler, Der Schutz des Telephongeheimnisses (Blätter f. Rechtsanw. in 
Bayern, Bd. 69, S. 277 ff.).
	        
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