Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

62 8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
mit der Post versendeten Briefe, sondern sichert alle verschlossenen 
Briefe oder andere Urkunden; und er ist andererseits in vielen Fällen 
unanwendbar, in welchen der Postbeamte als solcher zur Bewahrung 
des Geheimnisses verpflichtet ist'). Ebensowenig besteht für andere 
Behörden des Staates oder Reiches eine Pflicht zur Wahrung des Brief- 
geheimnisses; dasselbe kann daher von ihnen auch niemals verletzt 
werden. Wohl aber besteht der Satz des Öffentlichen Rechtes, daß die 
Postverwaltung von keiner anderen Behörde, weder einer richterlichen 
noch einer Verwaltungsbehörde, zur Verletzung des Briefgeheimnisses 
gezwungen werden darf, abgesehen von den gesetzlich anerkannten 
Ausnahmefällen. Denn das Reich kann nicht die Pflicht der von ihm 
selbst betriebenen Postanstalt zur Bewahrung des Briefgeheimnisses 
anerkennen und zugleich andere Behörden ermächtigen, die Postver- 
waltung zur Verletzung desselben anzuhalten. Auch der Postverwal- 
tung selbst steht es nicht zu, die bei ihr angestellten Beamten von der 
Erfüllung der Pflicht zur Beobachtung des Briefgeheimnisses, sei es 
für einzelne Fälle, sei es allgemein, unter gewissen Umständen zu dis- 
pensieren. 
c) Ausnahmen von der Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses 
sind einzig und allein im Interesse der Rechtspflege zulässig?). Diese 
Fälle sind durch Reichsgesetz festzustellen. Nur bis zum Erlaß des- 
selben blieben die Landesgesetze maßgebend’). Ausgeschlossen ist dem- 
nach ebensowohl die Form der Reichsverordnung als die Autonomie 
der Einzelstaaten, seitdem die reichsgesetzlichen Anordnungen ergangen 
sind. Diese Ausnahmefälle sind folgende: 
«) Instrafgerichtlichen Untersuchungen‘). Diean den Be- 
schuldigten gerichteten Briefe und Sendungen sowie die an ihn ge- 
Angehörige, Hausgenossen usw. des Adressaten. Vgl. Postordn. $ 39. Telegraphen- 
ordn. 8 19, Ziff. VII Aschenborn S. 64. 
1) So kann unter Umständen ein Ehemann für befugt erachtet werden, die 
von seiner Frau geschriebenen oder an sie gerichteten Briefe zu eröffnen, ebenso 
Eltern oder Vormünder hinsichtlich der Korrespondenz ihrer Kinder oder Mündel; 
dagegen würde ein Postbeamter seine amtliche Pflicht zur Bewahrung des Briefge- 
heimnisses unzweifelhaft verletzen, wenn er dem Ehemann, Vater oder Vormund eine 
Mitteilung machen würde, daß die seiner Gewalt unterworfenen Personen Postsen- 
dungen erhalten oder aufgegeben haben. — Auf andere Postsendungen als verschlos- 
sene Briefe kann $ 299 des Strafgesetzbuches überhaupt nicht zur Anwendung 
kommen, wohl aber S 5 des Postgesetzes. 
2) Nicht zu diesen Ausnahmen ist die Eröffnung unbestellbarer Postsen- 
dungen durch die Oberpostdirektion zu rechnen, um den Absender zu ermitteln und 
ihm die Sendung wieder zuzustellen. Die Vorschriften hierüber sind gemäß 8 50, 
Ziff. 3 des Postgesetzes vom Reichskanzler zu erlassen. Sie sind getroffen in 
der Postordnung$ 45u.46. Vgl. Telegraphenordnung 820. Aschenborn S. 64. 
3) Postgesetz 8 5. Telegraphengesetz 8 8. 
4) Vgl. hierzu Löwe, Kommentar zu 88 99-101, dessen Ausführungen aber 
vielfach erheblichen Bedenken unterliegen; Schwarze, Erörterungen I], S. 100 
bis 128; Ullmann, Strafprozeßrecht S. 317. Vorschriften über das von den Post- 
behörden zu beobachtende Verfahren enthält die Allg. Dienstanweisung II, 1, Anl. 1. 
 
	        
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