Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

66 $ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
IV. Die Vorrechte der Post- und Telegraphenanstalt. 
Die hier in Betracht kommenden Rechtssätze betreffen nicht die 
im Betriebe der Post und Telegraphie geschlossenen Transport- 
geschäfte, sie regeln nicht das Rechtsverhältnis der Postanstalt zu 
denjenigen Personen, welche mit ihr kontrahieren, sondern sie dienen 
dazu, den Betrieb selbst zu ermöglichen und zu erleichtern. Die der 
Postanstalt beigelegten Vorrechte sind nicht gegen bestimmte einzelne 
Personen gerichtet, sondern sie sind sogenannte absolute Rechte, deren 
Wirkung sich gegen jedermann erstreckt. Sie sind insbesondere außer- 
kontraktliche Rechte, die gegen solche Personen geltend gemacht wer- 
den können, welche mit der Postanstalt kein Vertragsverhältnis ein- 
gegangen sind. 
1. Das Monopol der Post- und Telegraphenanstalt. 
a) Der Postzwang') oder das Postmonopol ist eine Beschrän- 
kung der allgemeinen Gewerbe- und Handlungsfreiheit zugunsten der 
Postanstalt. Dem Postzwange unterworfen sind lediglich folgende 
Gegenstände: 
a) Verschlossene Briefe?) 
1) Postgesetz 8 1. Die Unterscheidung zwischen Postregal (Monopol) und 
Postzwang (vgl. Sydow S. 289, Mittelstein S. 19f., Fischer S. 197, 
Meyer S$ 112) ist praktisch bedeutungslos, da das Postregal nicht weiter reicht als 
der Postzwang, worüber keine Meinungsverschiedenheit besteht. Die Reichsgesetze 
erwähnen das Postregal gar nicht mehr; für Gegenstände und Beförderungsarten, die 
dem Postzwange nicht unterworfen sind, besteht auch kein Postregal. Der „Zwang“ 
aber besteht lediglich in dem Verbot, Briefe usw. zur Beförderung gegen Bezah- 
lung zu übernehmen, und dieses Verbot trifft nicht nur den gewerbsmäßigen 
Betrieb, schränkt also nicht bloß die Gewerbefreiheit, sondern die Handlungsfreiheit 
überhaupt ein. Für den Korrespondenten entsteht dadurch zwar eine tatsächliche 
Nötigung, sich der Post zu bedienen, da er in der Regel zur unentgeltlichen Beför- 
derung keine Gelegenheit hat, aber keine rechtliche Verpflichtung, die 
Dienste der Post überhaupt in Anspruch zu nehmen, so wenig wie bei dem System 
der Staatseisenbahnen ein rechtlicher Zwang besteht, auf der Eisenbahn zu fahren, 
oder wo das Tabakmonopol eingeführt ist, ein Zwang Tabak zu kaufen. Das Post- 
gesetz schließt den Postzwang in diesem Sinne mit ausdrücklichen Worten aus, in- 
dem es die Beförderung von verschlossenen Briefen durch Expreßboten gestattet. 
Wenn hiervon nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht wird, so beruht dies auf 
Gründen der Sparsamkeit und Bequemlichkeit, nicht auf rechtlichem Zwang. Der 
„Postzwang“ ist daher lediglich die tatsächliche Folge des „Postmonopols“. 
2) Die Art des Verschlusses macht keinen Unterschied. Was ein „Brief“ sei, ist 
im Gesetz absichtlich nicht definiert worden. Vgl. Dambach-v Grimm. 12. 
Derselbe hebt mit Recht hervor, daß auch ein verschlossenes adressiertes Kuvert, 
in welchem sich ein Stück unbeschriebenes Papier befindet, oder das ganz leer ist, 
im Sinne des $ 1 des Postgesetzes ein „Brief“ ist. Vgl. auch Mevesa.a.0.S. 366, 
Nr.5; MittelsteinS.21 und das Erk. des Reichsgerichts vom 23. Mai 1891. Entsch. 
in Strafsachen Bd. 22, S. 22. G. Meyer-Dochow, Verwaltungsr. 8 112, Note 4, 
und über die zahlreichen kasuistischen Entscheidungen AschenbornS.35ff.; Köh- 
ler in Hirths Annalen 1911, S. 590, 678, 772. Die Praxis des Reichsgerichts ist sehr 
schwankend, wie Dambacha.a. 0. zeigt.
	        
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