72 8 73. Das Post- und Telegraphenwesen.
Die Verletzung des Telegraphenregals wird mit einer
Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu
sechs Monaten bestraft!); die Zuwiderhandlung gegen die Kontrollvor-
schriften, welche in betreff der im $ 3 aufgeführten konzessionsfreien
Anlagen erlassen sind, ist mit Geldstrafe bis zu 150 Mark bedroht’).
Die unbefugt errichteten oder betriebenen Anlagen sind außer Betrieb
zu setzen oder zu beseitigen; das Verfahren ist das verwaltungsrecht-
liche Zwangsverfahren nach Maßgabe der Landesgesetze; es ist ein-
zuleiten auf Antrag des Reichskanzlers oder der vom Reichskanzler
dazu ermächtigten Behörde. Gegen die im Verwaltungsverfahren er-
gangene Entscheidung steht der Rechtsweg offen °).
Das Gesetz über das Telegraphenwesen giltauchinBayern und
Württemberg, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Staaten für ihre
Gebiete diejenigen Rechte haben, welche im übrigen Bundesgebiet dem
Reich zustehen‘). Die dem Reichskanzler zugewiesenen Befugnisse
werden in diesen beiden Staaten von dem zuständigen Ministerium
ausgeübt °).
2. Rechtean den Eisenbahnen.
A. Rechte der Postverwaltung‘).
1. Als man in Deutschland den Bau von Eisenbahnen begann, hatte
der Postzwang hinsichtlich der Beförderung von Sachen und Personen
einen solchen Umfang, daß der Eisenbahnbetrieb durch Privatunter-
nehmer mit demselben unvereinbar gewesen, jedenfalls durch ihn er-
heblich beschwert und beschränkt worden wäre. Andererseits boten
die Eisenbahnen für den Betrieb der Postanstalt ein vorzügliches und
sehr bald unentbehrliches Hilfsmittel dar. Es wurde daher eine Ausglei-
chung zwischen den Bedürfnissen der Post und der Eisenbahn, wo
die letztere nicht ganz und gar Staatsverkehrsanstalt war, in der Art
gefunden, daß man die Eisenbahnen von den aus dem Postregal sich
ergebenden Beschränkungen befreite und sie dafür verpflichtete, der
Postverwaltung die für dieselbe erforderlichen Leistungen zu gewähren.
Der Umfang derselben und die den Eisenbahnen etwa zu zahlenden
Vergütungen wurden in den Konzessionen, welche den einzelnen
1) Telegraphengesetz 89. 2) Ebenda $ 10.
3) Ebenda $ 11. Die landesgesetzlichen Vorschriften über das Zwangsverfahren
sind aufgeführt bei Maas Anm. 3 zuS ll.
4) Ebenda $ 15.
5) In Bayern vom Ministerium des Kgl. Hauses und des Aeußern, in Würt-
temberg vom Ministerium der auswärt. Angelegenheiten, Abteilung für die Ver-
kehrsanstalten. Seydel, Bayr. Staatsr. Bd. 3, S. 335. Göz, Württ. Staatsr. $ 113,
S. 519.
6) Eine Zusammenstellung der hierüber erlassenen Vorschriften in der Schweiz,
Deutschland, Oesterreich, Frankreich, England und Nordamerika findet sich bei
Meili, Haftpflicht S. 122 ff. Ueber die Entwicklung in Deutschland und die Vor-
geschichte des Preuß. Eisenbahngesetzes vgl. die eingehende Darstellung von Hull,
Die deutsche Reichspaketpost. Jena 1892. S. 71 ff.