74 & 73. Das Post- und Telegraphenwesen.
Das Postgesetz vom 28. Oktober 1871, 8 4 hat die Bestimmungen
des Postgesetzes des Norddeutschen Bundes vom 2. November 1867,
$ 6 wiederholt, ihre Geltung auf Bayern und Württemberg mit Rück-
sicht auf Art. 52 der Reichsverfassung aber nicht ausgedehnt.
Da das Reglement vom 1. Januar 1868 mit dem Ablauf des Jah-
res 1875 außer Geltung trat, so wurde dem Reichstag von 1875 ein
Gesetzentwurf vorgelegt, welcher das Rechtsverhältnis der Post zu den
Eisenbahnen, sowohl den Staats- wie den Privatbahnen, einheitlich
und mit gesetzlicher Kraft regeln sollte. Das infolgedessen erlassene
Reichsgesetz vom 20. Dezember 1875!) ist seit dem 1. Ja-
nuar 1876 an die Stelle des $ 4 des Postgesetzes vom 28. Oktober 1371
getreten?). Dieses Gesetz gilt ebenfalls in Bayern und Württemberg
nicht?), da diese beiden Staaten die Post selbständig und auf eigene
Rechnung verwalten. Das Gesetz hat ferner die auf speziellem Rechts-
titel beruhenden Rechte, insbesondere die durch Konzessionen oder
Verträge begründeten Rechtsverhältnisse zwischen der Post und den
Eisenbahnen unberührt gelassen; es findet auf solche Bahnen oder
ihre zukünftig konzessionierten Erweiterungen durch Neubauten nur
insoweit Anwendung, als dies nach den Konzessionsurkunden zulässig
ist. Den konzessionierten Eisenbahnunternehmern steht jedoch das
Recht zu, an Stelle der ihnen konzessionsmäßig obliegenden Ver-
pflichtungen für die Zwecke des Postdienstes die durch das gegenwär-
tige Gesetz angeordneten Leistungen zu übernehmen; sie haben also
ein Wahlrecht zwischen den vertragsmäßigen (konzessionsmäßigen)
und den. gesetzlichen Leistungen‘). Im übrigen kommt das Gesetz
nicht bloß gegenüber den Privatbahnen zur Anwendung, sondern auch
hinsichtlich der im Eigentum des Reiches oder eines Bundesstaates
befindlichen sowie auf die in das Eigentum des Reiches oder eines
Bundesstaates übergehenden Eisenbahnen ).
Berlin, d. 25. August
d. d. Karlsruhe, d. 1. September
20. Dezember 1875 a. a. O. S. 13.
1) Reichsgesetzbl. 1875, S. 318.
2) Vollzugsbestimmungen zu diesem Gesetz hat der Reichskanzler unter
Zustimmung: des Bundesrates unter dem 9. Februar 1876 erlassen. Sie sind gedruckt
im Zentralblatt des D. R. 1876, S. 87 und bei Fischer-König 8.65. In
dieser Verordnung (VIII, Ziff. 8) war die Revision gewisser Bestimmungen nach Ab-
lauf von zwei resp. fünf Jahren nach Maßgabe der inzwischen gemachten Erfahrungen
vorbehalten. Die infolgedessen beschlossenen Aenderungen sind durch Erlaß des
Reichskanzlers vom 9. Mai 1878 (Zentralbl. S. 261) und vom 24. Dezember 1881 (Zen-
tralbl. 1882, S. 4) bekannt gemacht worden. Die Verordnung in ihrer jetzt gültigen
Form ist gedruckt in Fischers Post- und Telegraphengesetzgebung (3. Aufl. 1886),
Ss. 81 ff.
3) Art. 13 des in Rede stehenden Gesetzes. 4) Art. 11, ebendas.
5) Art. 12, Abs. 2. Erwirbt ein Bundesstaat eine konzessionierte Eisenbahn, so
treten mit dem Uebergang derselben in das Eigentum des Staates die gesetz-
lichen Leistungen für die Post an die Stelle der konzessions mäßigen.
1871. Motive zu Art. 12 des Reichsgesetzes vom