Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 87 
Der Regel nach wird die Regierung diese Bedingungen in der 
Form des Verwaltungsaktes, d. h. durch Reglement, Instruktion, Ver- 
ordnung erlassen können, bei der großen Bedeutung dieser Anord- 
nung für den Verkehr, die Volkswohlfahrt und die Staatsfinanzen ist 
es aber erklärlich, daß man die wichtigsten Bestimmungen unter Zu- 
stimmung der Volksvertretung, d. h. in der Form und mit der Kraft 
des Gesetzes zu erlassen pflegt. Soweit dies der Fall ist, hat dies 
eine dreifache Wirkung. Erstens bildet das jus cogens keine Schranke, 
es kann durch ein Spezialgesetz für die Geschäfte der Post beseitigt 
werden. Zweitens ist die Freiheit der Verwaltung in der Normierung 
der Bedingungen ausgeschlossen, soweit die im Wege des Gesetzes er- 
lassenen Vorschriften reichen. Drittens haben diese Vorschriften die 
Natur von Rechtsnormen, sie bilden ein Spezialrecht für die Geschäfte 
der Post. Diejenigen Bedingungen dagegen, deren Feststellung der Ver- 
waltung überlassen ist, dürfen nicht gegen das jus cogens verstoßen, 
sie können im Wege der Verordnung abgeändert werden und sie haben 
den Charakter von Vertragsnormen!). Das Reichspostgesetz $ 50, 
Abs. 2 hat dies anerkannt, indem es bestimmt: 
»Diese Vorschriften (nämlich das von dem Reichskanzler zu 
erlassende Reglement) gelten als Bestandteil des Ver- 
trages zwischen der Postanstalt und dem Absender beziehungs- 
weise Reisenden«’?). 
trahieren müssen, keine Verträge sein. Man sollte glauben, daß man solchen elemen- 
taren Rechtsirrtümern in der deutschen staatsrechtlichen Literatur nicht zu begegnen 
brauchte. Da weder der Kontrahierungszwang noch der typische Inhalt der Verpflich- 
tungen dem Wesen des privatrechtlichen Vertrages widerspricht, so können auch beide 
zusammen ihm nicht widersprechen. 
1) Vgl. das Erk. d. Oberappellationsgerichts zu Dresden in Seufferts Archiv VI, 
58 und namentlich die Ausführungenvon Goldschmidt in der Zeitschr. f. das ges. 
Handelsr. Bd. 4, S. 5855 ff. Mandry, Zivilr. Inh. S. 477. Dambach S. 263, Nr. 2. 
Mayer-Dochow 8 113 (S. 804). Lehmann S. 980 Cosack (7. Aufl.) S. 513. 
Das Reichsgericht hat in der Entsch. in Zivilsachen Bd. 41, S. 104 die Vor- 
schriften der Postordnung im Einklang mit dem Gesetz „als Bestandteil des Ver- 
trag es zwischen der Postanstalt und dem Absender“, dagegen in den Entscheidungen 
Bd. 19, S. 104 und Bd. 43, S. 99 ohne nähere Begründung als revisible Rechtsnormen 
bezeichnet. 8 50 des Postgesetzes ermächtigt den Reichskanzler zum Erlaß eines 
„Reglements“, nicht einer Rechtsverordnung; und ordnet dessen „Veröffentlichung“ 
mittelst der für die Publikation amtlicher Bekanntmachungen bestimmter Blätter an, 
während Rechtsverordnungen verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung im Reichs- 
gesetzbl. erlangen. Vgl. oben Bd. 11, S. 108 ff. In der Entsch. Bd. 70, S. 316 werden 
die Bestimmungen der Postordnung sowohl als Vertragsfestsetzungen als auch als 
Rechtsnormen charakterisiert; wie verträgt sich dies miteinander? 
2) Nur insofern ist dies nicht ganz richtig, als das im 8 50 cit. vorbehaltene 
Reglement auch auf solche Gegenstände sich erstreckt, die mit dem Posttransport- 
vertrage nichts zu tun haben, z. B. Anordnungen zur Aufrechthaltung der Ordnung, 
der Sicherheit und des Anstandes auf den Posten, in den Postlokalen und Passagier- 
stuben. Postordn. $ 62. Daß die Postordnung mit solchen Vorschriften bepackt ist, 
kann an dem rechtlichen Charakter der den Beförderungsvertrag betreffenden Be- 
stimmungen nichts ändern.
	        
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