Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

138 S 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 
9. Da die Wehrpflicht eine staatsbürgerliche Last ist, so betrifft 
sie nur die Reichsangehörigen. Ausländer können zwar 
zum Dienst im deutschen Heere und in der Flotte zugelassen werden !) 
und freiwillig Dienstpflichten übernehmen, aber wehrpflichtig sind sie 
in der Regel nicht. Das Reichsgesetz vom 22. Juli 1913 Art. I Ziff. 1 
(Reichsgesetzbl. S. 593) bestimmt aber, daß Personen, die keinem 
Staateangehören, wenn sie sich im Reichsgebiet oder in einem 
Schutzgebiete dauernd aufhalten, zur Erfüllung der Wehrpflicht wie 
Deutsche herangezogen werden können. Mit dem Verlust der Reichs- 
angehörigkeit erlischt von selbst auch die Wehrpflicht. Durch die 
Auswanderung kann man sich daher derselben entziehen und aus 
diesem Grunde bewirkt die Wehrpflicht eine Erschwerung der Vor- 
aussetzungen, unter denen die Auswanderung gestattet ist. Anderer- 
seits soll die Auswanderungsfreiheit nicht durch die Rücksicht auf die 
Wehrpflicht aufgehoben oder so weit beschränkt werden, daß sie tat- 
sächlich wertlos wird; dies würde aber der Fall sein, wenn die Aus- 
wanderung während der ganzen Dauer der Wehrpflicht unstatthaft 
wäre. Es ist deshalb die Gestattung der Auswanderung nicht an die 
Beendigung der Wehrpflicht, sondern an die Erfüllung des wich- 
tigsten Teiles derselben, der aktiven Dienstpflicht oder der 
Entscheidung über dieselbe geknüpft. 
Die Beschränkungen der Auswanderungsfreiheit mit Rücksicht auf 
die Wehrpflicht sind jetzt in dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsge- 
setz vom 22. Juli 1913 (Reichsgesetzbl. S. 583) $ 22 geregelt. Die Ent- 
lassung aus der Staatsangehörigkeit darf einem Staatsangehörigen, wel- 
cher die Staatsangehörigkeit in einem andern Bundesstaate nicht be- 
sitzt oder sich vorbehält, so daß er mit der Entlassung die Reichsan- 
gehörigkeit verlieren würde, folgenden Personen nicht erteilt werden: 
a) Wehrpflichtigen, über deren Dienstverpflichtung noch nicht end- 
gültig entschieden ist (siehe unten S. 143), wenn sie nicht ein Zeugnis 
der Ersatzkommission darüber beibringen, daß nach der Ueberzeu- 
gung der Kommission die Entlassung nicht in der Absicht nachgesucht 
wird, die Erfüllung der aktiven Dienstpflicht zu umgehen ?). 
b) Mannschaften des aktiven Heeres, der aktiven Marine oder der 
aktiven Schutztruppen. 
c) Mannschaften des Beurlaubtenstandes, nämlich die vorläufig in 
die Heimat beurlaubten Rekruten uud Freiwilligen, die bis zur Ent- 
scheidung über ihr ferneres Militärverhältnis zur Disposition der Er- 
1) Wehrordnung $S 21, Ziff.4. Vgl. auch Marineordnung $ 37, Ziff. 1 (Köche und 
Kellner der Schiffsmessen). 
2) Die Entscheidungen der ständigen Mitglieder der Ersatzkommission sind end- 
gültig; bei Meinungsverschiedenheiten der beiden ständigen Mitglieder ist die Ent- 
scheidung der Oberersatzkommission einzuholen. Bis zum Eingange dieser Entschei- 
dung ist von der Erteilung der Auswanderungserlaubnis Abstand zu nehmen. Wehr- 
ordnung $ 277, Ziff. 2.
	        
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