8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 149
Zivilvorsitzenden der Ersatzkommission liegt es ob, die Einleitung der
gerichtlichen Untersuchung herbeizuführen ').
Ill. Die Entscheidung über die Dienstpflicht.
Die allgemeine Wehrpflicht ist, wie bereits bemerkt wurde, keine
allgemeine und gleiche Dienstpflicht, d. h. nicht jeder Wehrpflich-
tige ist dienstpflichtig. Die Einziehung der Wehrpflichtigen zum Dienst
ist vielmehr abhängig von ihrer Würdigkeit, ihrer Tauglichkeit, ihren
bürgerlichen Verhältnissen und von der Rangierung der Militärpflich-
tigen. Ueber jeden Militärpflichtigen findet daher eine Untersuchung
und Entscheidung hinsichtlich seiner Dienstpflicht statt. Hierbei ist
der Rechtsweg ausgeschlossen, die Gerichte sind nicht zuständig, ein
Prozeßverfahren findet nicht stait; auch die Verwaltungsgerichte kön-
nen nicht angerufen werden. Die Entscheidung liegt vielmehr aus-
schließlich den Ersatzbehörden, d. h. den mit den ständigen
Geschäften der Heeresergänzung betrauten Verwaltungsbehörden, ob.
1. Die zur Entscheidung kompetenten Behörden.
Dieselben sind aus militärischen und bürgerlichen Elementen zusam-
mengesetzt, da bei der Rekrutierung nicht ausschließlich militärische
Interessen in Betracht kommen. Sie sind in vier Instanzen gegliedert.
Die erste Instanz ist die Ersatzkommission. Sie wird für den
Aushebungsbezirk gebildet und besteht aus einem Offizier, in der Regel
dem Landwehrbezirkskommandeur, und einem Verwaltungsbeamten
des Bezirks, oder wo ein solcher Beamter fehlt, einem besonders zu
diesem Zwecke bestellten bürgerlichen Mitgliede ?). Die zweite Instanz
bildet die Oberersatzkommission für den Infanteriebrigade-
bezirk; sie besteht aus einem höheren Offizier, in der Regel dem In-
fanteriebrigadekommandeur, und aus einem höheren Verwaltungsbe-
amten°). Die dritte Instanz fungiert für den Armeekorpsbezirk;
sie wird gebildet durch den kommandierenden General des Armee-
korps in Gemeinschaft mit dem Chef einer Provinzial- oder Landes-
behörde, sofern nicht hierfür in einzelnen Bundesstaaten besondere
Behörden bestellt sind *). Die Oberaufsicht über die Geschäftstätigkeit
der Ersatzbehörden und die oberste Leitung der Heeresergänzung wird
von den zuständigen Kriegsministerien in Gemeinschaft mit den ober-
sten Zivilverwaltungsbehörden der einzelnen Bundesstaaten geführt °).
1) Wehrordnung 8 65, Ziff. 3.
2) Militärgesetz $ 30, Ziff. 3a. Durch das Reichsgesetz vom 22. Juli 1913, Art. ],
Ziff. 7 wurde ein Zusatz hinzugefügt, welcher die Uebertragung der Entscheidungen
über Militärpflichtige, welche in einem Schutzgebiet oder im Ausland leben, dem
Reichskanzler vorbehält. |
3) Militärgesetz $ 30, Ziff. 3b (Novelle vom 31. März 1885).
4) Militärgesetz 8 30, Ziff. 3c. Ein Verzeichnis der „Ersatzbehörden dritter In-
stanz“ und ihrer Zusammensetzung im ganzen Bundesgebiet mit Einschluß Bayerns,
Sachsens und Württembergs enthält die Wehrordnung 8 2, Ziff. 3.
5) Militärgesetz $ 30, Ziff. 3d. Ein Verzeichnis dieser Behörden enthält die
Wehrordnung $ 2, Ziff. 2.