160 & 106. Die gesetzliche Wehrpflicht.
Nur sind erheblich höhere Strafen für den sogenannten Kriegsverrat,
d.h. für einen im Felde begangenen Landesverrat, festgesetzt‘). Da-
gegen ist die militärische Treupflicht von der gewöhnlichen Unter-
tanen-Treupflicht dadurch unterschieden, daß sie zu positiver Förde-
rung des Wohles des Kriegsherrn resp. des Staates und Reiches nach
bestem Wissen und Können verpflichtet, selbst wenn die Erfüllung
dieser Pflicht mit der Gefährdung oder Aufopferung der höchsten per-
sönlichen Interessen, der Gesundheit, Freiheit oder des Lebens ver-
bunden ist?). Eine positive Aufzählung bestimmter einzelner Hand-
lungen, zu welchen die Treupflicht verbindlich macht, ist nach dem
Begriff derselben unmöglich ; das Maß der Leistungen bestimmt sich
nach der subjektiven Einsicht und Fähigkeit und richtet sich nach
den tatsächlichen Verhältnissen; der Idee nach schließt die Treue die
Bereitschaft zur vollständigen Selbstverleugnung und Selbstaufopferung
ein. In diesem vollen Maße ist sie aber rechtlich nicht erzwingbar,
die Strafgewalt des Staates kann immer nur einzelne, durch bestimmte
Tatbestände umschriebene Verletzungen der Treue treffen. Die Treue
im ideellen Sinne ist eine moralische Pflicht und kann deshalb auch
nur durch ein Mittel von wesentlich moralischem Charakter gesichert
werden. Dieses Mittel ist der Treueid. In dem Fahneneid der
Soldaten lebt das alte juramentum fidelitatis fort; er enthält das Ver-
sprechen:
»dem Landesherrn?) in allen und jeden Vorfällen, zu Lande
und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten, und an welchen
Orten es immer sei, getreulich und redlich zu dienen, Aller-
höchst Dero Nutzen und Bestes befördern, Schaden und Nach-
teil aber abwenden ..... zu wollen.«
Aber auch rechtliche Folgen kann die Verletzung der positiven
Seite der Treupflicht nach sich ziehen, wenn sie in bestimmien, im
Gesetz vorgesehenen Tatbeständen geschieht. Dahin gehört nament-
lich die strenge Bestrafung der Feigheit‘), der Desertion\, der Ge-
fährdung der Kriegsmacht im Felde durch Verletzung einer Dienst-
pflicht‘®), wissentlich unwahrer Aussagen in dienstlichen Angelegen-
heiten’) usw.
1) Militärstrafgesetzbuch 8 57—61.
2) Ueber den Begriff der Treupflicht und über das Verhältnis derselben zur Ge-
horsamspflicht sind die Untersuchungen von Ehrenberg, Kommendation und Hul-
digung, Weimar 1877, S. 105 ff. zu vergleichen. Was hier auf Grund ’der Quellen
fränkischer Zeit klargelegt worden ist, hat auch für das heutige Recht seine volle
Bedeutung.
3) Vgl. oben S. 72.
4) Militärstrafgesetzbuch $ 84—88. „Wer während des Gefechts aus Feigheit die
Flucht ergreift und die Kameraden durch Worte oder Zeichen zur Flucht verleitet,
wird mit dem Tode bestraft.“ $ 84.
5) Militärstrafgesetzbuch $ 64 ff., 69 ff. 6) Ebendaselbst 8 62.
7) Militärstrafgesetzbuch 8 90.