Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

172 8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 
oben entwickelten Rechtssätze von der aktiven Dienst- 
pflicht finden auf sie vollständige und ausnahmslose Anwendung. 
Ueber die Einberufung gelten im einzelnen folgende Rechtsregeln: 
a) Die Einberufung erfolgt, nach Maßgabe des Bedarfs und soweit 
die militärischen Interessen es gestatten, nach den Jahresklassen, 
mit der jüngsten beginnend !. Demgemäß werden die Mannschaften 
der Reserve und Landwehr in Jahresklassen nach ihrem Dienstalter 
eingeteilt?).. Diese regelmäßige, durch das Alter bestimmte Reihenfolge 
kann jedoch wegen dringender häuslicher oder gewerblicher Verhält- 
nisse oder wegen Unabkömmnlichkeit aus einer Stellung im öffentlichen 
Dienst modifiziert werden; hiernach unterscheidet man das Zurück- 
stellungsverfahren und das Unabkömmlichkeitsverfahren. 
a) Das Zurückstellungsverfahren. Die Zurückstellungs- 
gründe sind gesetzlich nicht fixiert; das Militärgesetz 8 64 erwähnt 
nur dringende häusliche und gewerbliche Verhältnisse; die Wehrord- 
nung $ 118, Ziff. 3 und 8 122 spezialisiert dieselben aber und bildet 
dadurch eine Ergänzung des Militärgesetzes °). Die Gesuche um Zurück- 
stellung sind bei dem Vorsteher der Gemeinde anzubringen, welcher 
dieselben prüft und eine Nachweisung aufstellt, aus der nicht nur die 
militärischen, bürgerlichen und Vermögensverhältnisse der Bittsteller, 
sondern auch die obwaltenden besonderen Umstände ersichtlich sind, 
durch welche eine zeitweise Zurückstellung bedingt werden kann ‘). 
Die Gesuche nebst diesen Nachweisungen sind an den Zivilvorsitzen- 
den der Ersatzkommission einzureichen. Die Entscheidung darüber 
erfolgt durch die verstärkten Ersatzbehörden ’). Gegen die Ent- 
scheidung der verstärkten Ersatzkommission ®) steht dem ständigen 
militärischen Mitgliede die Erhebung des Einspruchs zu, in welchem 
Falle die endgültige Entscheidung lediglich durch die ständigen 
Mitglieder der Oberersatzkommission erfolgt”). Die Berücksichtigung 
der Klassifikationsgründe findet in der Art statt, daß Reservisten hinter 
die letzte Jahresklasse der Reserve ihrer Waffe oder Dienstkategorie, 
Landwehrmannschaften aber, sowie in besonders dringenden Fällen 
auch einzelne Reservisten hinter die letzte Jahresklasse der Land- 
wehr zweiten Aufgebots zeitweise zurückgestellt werden 3). Die Ent- 
scheidungen behalten ihre Gültigkeit nur bis zum nächsten Zurück- 
stellungstermin und erlöschen, wenn Mannschaften aus einem Aus- 
  
  
1) Militärgesetz 8 63. 
2) Militärgesetz 8 62, Abs. 1. Vgl. über Zurückversetzung in eine jüngere Klasse 
zur Strafe Militärgesetz 8 62, Abs. 3 und $ 67. 
3) Die Gründe sind an erheblich strengere Voraussetzungen gebunden als die 
Zurückstellungsgründe der Militärpflichtigen bei Erfüllung der aktiven Dienstpflicht 
im Frieden. Für die Marine vgl. Marineordnung $ 52, Ziff. 6. 
4) Wehrordnung $ 123, Ziff. 1. 5) Militärgesetz 8 50, Ziff. 4d. 
6) Dieselbe erfolgt nach den im Militärgesetz $ 30, Ziff.5 gegebenen Regeln. 
7) Militärgesetz $ 30, Ziff. 7, Abs. 2. 
8) Militärgesetz $ 64, Abs. 1. Gesetz vom 2. Februar 1888 8 6.
	        
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