Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

& 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen. 23 
heeres sicherte. Es handelt sich hierbei selbstverständlich nicht um 
die im Wege der Reichsgesetzgebung ergehenden Anordnungen oder 
um Ausführungsbestimmungen zu Reichsgesetzen, sondern um das 
große Gebiet militärischer Einrichtungen, welches dem Bereich der 
Gesetzgebung entrückt ist, also um Verordnungen praeter legem. In 
dieser Hinsicht hat die Reichsverfassung im Art. 63, Abs. 5 folgende 
Regel aufgestellt: 
»Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Ad- 
ministration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller 
Truppenteile des deutschen Heeres sind die bezüglichen künftig 
ergehenden Anordnungen für die preußische Armee den Kom- 
mandeuren der übrigen Kontingente, durch den Art. 8, Nr. 1 
bezeichneten Ausschuß für das Landheer und die Festungen, 
zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzuteilen.« 
Durch diese Bestimmung wird das Problem, die Verordnungs- 
gewalt der Landesherren als Kontingentsherren mit dem Bedürfnis 
nach vollkommener Uebereinstimmung der Heereseinrichtungen in 
Einklang zu bringen, in der Art gelöst, daß den Landesherren der 
Einzelstaaten formell der Erlaß der Militärverordnungen zwar ver- 
blieb, materiell aber ihnen vom Kaiser vorgeschrieben wurde, 
was sie zu verordnen haben. Hätte der Kaiser das Verordnungs- 
recht für die ganze Reichsarmee, so könnte es in den in diesem Ar- 
tikel erwähnten Beziehungen »Anordnungen für die preußische 
Armee« überhaupt nicht mehr geben, sondern nur Anordnungen für 
das Reichsheer, und die Geltung derselben für die »übrigen Kontin- 
gente« würde sich von selbst verstehen und ipso iure eintreten, ohne 
daß es der Vermittlung des Bundesausschusses behufs Mitteilung an 
die Kontingentskommandeure zur Nachachtung bedürfte '). Die aus- 
drückliche Hervorhebung, daß die Anordnungen für die preußische 
Armee ergehen und die Unterscheidung der preußischen Armee von 
den »übrigen Kontingenten« beweisen, daß es sich hier um Anord- 
nungen handelt, welche der König von Preußen als Kontin- 
gentsherr erläßt. Wozu bedürfte es der Vermittlung des Bundesrats- 
ausschusses, um diese Anordnungen in den übrigen Kontingenten in 
Geltung zu setzen, wenn dieselben in Ausübung der kaiserlichen 
Gewalt für die eine und unteilbare Reichsarmee ergingen ? Die Vor- 
stellung, daß der Bundesratsausschuß im Auftrage des Kaisers die 
Verordnungen den Höchstkommandierenden der Kontingente »be- 
händigt« ?), ist vollkommen verkehrt und ebenso den Vorschriften der 
1) Mit Recht sagt Hecker in von Stengels Wörterbuch I, S. 64: „Wenn Art. 63 
Abs. 5 ‚die unentbehrliche Einheit‘ wahren wollte, so konnte er nicht von der An- 
sicht ausgehen, daß dem Kaiser das Verordnungsrecht grundsätzlich zustehe; denn 
alsdann war eine Gefährdung der Einheit gar nicht denkbar.“ 
2) Im Anschluß an G. Meyer, Annalen 1880, S. 341 und Verwaltungsrecht II, 
S. 43 (dessen Ausführungen Schulze II, S. 260 reproduziert), wird dies ausführlich
	        
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