8 111. Die Friedensleistungen. 279
Die Vergütung für Militärtransporte erfolgt nach dem Militär-
tarif für Eisenbahnen vom 18. Januar 1899'!). Derselbe ist vom
Bundesrat beschlossen und kommt gleichmäßig im Mobilmachungs-
falle und Kriege, sowie für den Friedenszustand zur Anwendung; je-
doch werden im Friedenszustand außergewöhnliche Leistungen nach
den für den allgemeinen Verkehr geltenden Bestimmungen besonders
vergütet ?).
VI. Lasten der Besitzervon Grundstücken.
1. Die Befugnis der Truppen, Grundstücke zu Uebungszwecken zu
benutzen, ist in dem Reichsgesetz nicht direkt anerkannt worden; da
aber für die Ausübung dieser Befugnisse gewisse Beschränkungen auf-
gestellt sind, so ist damit auch die Verpflichtung der Grundstückbe-
sitzer, die Ausübung dieser Befugnis innerhalb dieser Beschränkungen
zu dulden, als eine bestehende vorausgesetzt?°) Ausgeschlossen
1) Reichsgesetzbl. 1899, S. 108 ff. Es sind sehr zahlreiche Ergänzungen und Ab-
änderungen desselben erfolgt; fast jeder Jahrgang des Armeeverordnungsblatts ent-
hält solche.
2) Transportordnung $ 57, Ziff. 2 und 3.
3) Der Regierungsentwurf $ 11, Abs. 2 enthielt die ausdrückliche Erklärung dieser
Verpflichtung; die Kommission des Reichstages strich diese Bestimmung aber, „weil
es sich nicht empfehle, den gesamten Grundbesitz im Deutschen Reiche einer der-
artigen allgemeinen Militärservitut zu unterwerfen“. Bei den Beratungen im Reichs-
tage wurde der Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage verworfen.
Dabei wurde aber von dem Berichterstatter der Kommission Dr. Weigel (Stenogr.
Berichte S. 890) erklärt, daß wegen der im Gesetz anerkannten Ausnahmen „auch der
schärfste Zivilist nicht zweifelhaft sein kann, daß eine negatoria auf Anerkennung
der Freiheit der nicht ausdrücklich ausgeschlossenen Grundstücke nicht mehr zu-
lässig ist. Denn in diesen Bestimmungen ist ausgesprochen, daß das Gesetz in
den nicht ausgeschlossenen Fällen eine Benutzung von Grundstücken statuiert“. Man
verwarf also den ersten Absatz, um eine allgemeine „Militärservitut* nicht anzu-
erkennen, und erklärte zugleich, daß dieselbe im zweiten Absatz anerkannt sei. Aber
auch materiell geht die Erklärung des Berichterstatters zu weit. Denn das Reichs-
gesetz enthält nicht die mindeste Andeutung davon, daß die Befugnis der Truppen
zur Benutzung von Privatgrundstücken da, wo sie bisher nicht bestand, eingeführt
werden solle. Der $ 11 des Gesetzes zählt nur diejenigen Grundstücke auf, die von
der Benutzung der Truppen ausgeschlossen sind. Wenn also in einem Teil des
Bundesgebietes diese Befugnis der Truppen gewohnheitsrechtlich oder gesetzlich
überhaupt nicht bestanden hat, so kann sie auch auf Grund des $ 11 cit. nicht in
Anspruch genommen werden, und man braucht keineswegs „der schärfste Zivilist“
zu sein, um die actio negatoria des Grundbesitzers für wohlbegründet zu erachten.
Eher kann man der Erklärung des Bundesratskommissarius v. Voigts-Rhetz
(Stenogr. Berichte S. 889) zustimmen, „daß durch die Fassung des $ 11 bezüglich der
Benutzung des Privatgrundbesitzes bei Truppenübungen eine Aenderung in dem
historisch begründeten Rechtszustande nicht beabsichtigt werde“. Allein
auch hiergegen kann das Bedenken erhoben werden, daß nach 8 1 des Gesetzes
Naturalleistungen nur nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gefordert
‚werden können, daß also allerdings alle Belastungen aufgehoben sind, deren Fort-
dauer nicht in dem Gesetze selbst sanktioniert ist. In keinem Falle ist die Fassung
des $ 11 eine gelungene zu nennen. Vgl. auch Seydel in Hirths Annalen 1875,