342 8 114. Der Reichsfiskus.
Unter den privilegia fisci lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
1. Prozessualische Vorrechte. Dieselben sind durch die
Reichsjustizgesetze auf folgende beschränkt:
a) In Konkursen steht die Reichskasse in Ansehung der zurück-
gehaltenen oder in Beschlag genommenen zoll- und steuerpflichtigen
Sachen dem Faustpfandgläubiger gleich !), und sie hat einen Anspruch
auf vorzugsweise Befriedigung hinsichtlich ihrer Forderungen wegen
öffentlicher Abgaben, welche im letzten Jahre vor der Eröffnung des
Verfahrens fällig geworden sind ?).
b) Aufrechterhalten sind die lan des gesetzlichen Vorschriften über
die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen den Fiskus,
insoweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden ?).
2. Privatrechtliche Privilegien. Die Bestimmungen der
Partikularrechte sind durch das Bürgerliche Gesetzbuch aufgehoben;
ausgenommen sind allein die landesgesetzlichen Vorschriften, denen
zufolge der Fiskus berechtigt ist, zur Sicherung gewisser Forderungen
die Eintragung einer Hypothek an Grundstücken des Schuldners zu
verlangen *). Das Bürgerliche Gesetzbuch beschränkt die Vorrechte des
Reichsfiskus auf die Freiheit fiskalischer Grundstücke vom Buchungs-
zwange 5), auf den Versteigerungserlös von Fundsachen, die in den
Geschäftsräumen oder Beförderungsmitteln von Reichsbehörden oder
Reichsanstalten gefunden worden sind ®), und auf das subsidiäre Erb-
recht, wenn der Erblasser ein Deutscher war, der keinem Bundesstaate
angehörte, d.h. auf Grund des Schutzgebiets- oder Staatsangehörigkeits-
gesetzes vom Reichskanzler eingebürgert worden ist ’).
3. Steuerbefreiungen. Die Steuerfreiheit ist das praktisch
wichtigste Vorrecht des Fiskus. Im Einzelstaate versteht sich die Frei-
heit des Fiskus von allen für die Staatskasse zu erhebenden
direkten Steuern, Stempelabgaben und Gebühren von selbst wegen der
Identität des Fiskus und der Staatskasse. Für den Reichsfiskus folgt
aus diesem Argument aber nur die Freiheit desselben von denjenigen
Abgaben, welche in die Reichskasse fließen; dagegen besteht kein in
der Sache selbst liegendes Hindernis, daß der Reichsfiskus Steuern und
Gebühren den Einzelstaaten zu entrichten habe, sowie andererseits
auch die Fisci der Einzelstaaten der Besteuerung durch die Bundes-
Huber, Staatensukzession S. 291, GierkelI, S. 478 und besonders Reincke
a.a.0.8.486 ff. Auch das preuß. Obertribunal hat diese Ansicht gebilligt,
Entscheidungen Bd. 70, S. 217 ff.; freilich mit sehr bedenklicher Motivierung. Eine
Anwendung hat dieselbe auch gefunden im Reichsgesetz vom 25. Mai 1873, $S 1,
Abs. 2. Vgl. auch Reichsstempelgesetz vom 1. Juli 1881, $ 29 und Konsulargerichts-
barkeitsgesetz vom 7. April 1900, $ 24, Abs. 1.
1) Konkursordnung $ 49, Ziff. 1. 2) Konkursordnung $ 61, Ziff. 2.
3) Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung $ 15, Ziff. 4.
4) Einführungsgesetz zum BGB. Art. 91. Die gesetzliche Hypothek kann nur
als Sicherungshypothek eingetragen werden.
5) Grundbuchordnung $ 90. 6) BGB. 8 981. 7) BGB. $ 1936.