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dies wird aber in vielen Fällen der Gegenstand des Streits und Zweifels
sein.
Wenn es sich um einen Schaden handelt, welchen ein Beamter
in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt zu-
gefügt hat, so bestimmt sich die Haftung des Reichs nach dem Reichs-
gesetz vom 22. Mai 1910 (Reichsgesetzbl. S. 798). Siehe darüber Bd. I,
S. 479.
8 115. Das aktive Reichsvermögen*).
Das fiskalische Vermögen zerfällt in zwei Arten, die sowohl in
finanzwissenschaftlicher als in staatsrechtlicher Hinsicht vielfach ver-
schiedenen Regeln unterstellt sind, nämlich in Finanzvermögen
und in Verwaltungsvermögen'!).
Unter Verwaltungsvermögen sind alle diejenigen Wertobjekte zu
verstehen, welche den für die Erfüllung der staatlichen Zwecke und
Aufgaben erforderlichen Apparat bilden, also zum Dienste der Be-
hörden und zum Betriebe der Staatsanstalten gehören: das Inventar
des Staates. Die charakteristische Eigenschaft dieser Vermögensobjekte
besteht darin, daß sie nicht freies, disponibles Kapital, sondern hin-
sichtlich ihrer Verwendung durch ihre Zweckbestimmung gebunden
sind °).. Das Finanzvermögen dagegen dient nicht direkt den Staats-
zwecken, sondern setzt die Regierung durch seinen Kapitalswert oder
dessen Erträge in die Lage, einen Teil der für die Durchführung
der Staatszwecke erforderlichen Kosten bestreiten zu können; es ist
werbendes oder wirtschaftliches Vermögen des Staates. Da
Erwerb, Besitz und Verwaltung dieses Vermögens nicht selbst einen
Zweck des Staates bilden, sondern demselben nur indirekt die Er-
S. 230; Bd. 62, S. 34 fg.; Bd. 74, S. 21 und S. 255 fg; Bd. 79, S. 101. Lenel in der
D. Juristenzeitung 1%2, S. 9 ff. Die Bestimmung des $ 31 des BGB. welche für
Vereine gegeben ist, und für sie auch zu erheblichen Zweifeln wohl kaum Veran-
lassung: bietet, ist im $ 89 einfach auf den Fiskus übertragen worden. Hier entsteht
aber die noch nicht gelöste Schwierigkeit zu bestimmen, wer ein „verfassungsmäßig
berufener Vertreter“ ist. Für unerheblich erachtet das Reichsgericht, „ob die Ver-
richtungen mehr oder weniger oder gar nicht selbständig sind, ob sie den Charakter
rechtsgeschäftlicher Vertretung tragen oder nicht, und ob sie aus einzelnen oder
einer Mehrheit von Verrichtungen, zeitlich vorübergehenden oder dauernden be-
stehen“.
*), Siehe die Zusammenstellung bei Speck, Die finanzrechtlichen Beziehungen
zwischen Reich und Staaten 198, S. 69 ff.
1) Vgl. meine Abhandlung über das Reichsfinanzrecht in Hirths Annalen 1873,
S. 412 fi. Eine ziemlich vollständige und großenteils wortgetreue Reproduktion
meiner Ausführungen findet sich bei v.Rönne, Staatsrecht des Deutschen Reichs LI, 1,
S. 70 ff. (2. Aufl. 1887).
2) Dies schließt aber weder den Kapitalswert noch den finanziellen Nutzen dieses
Vermögens aus, da die Benutzung und Verwendung desselben seitens der Verwaltungs-
behörden den Baraufwand (z. B. die Zahlung von Mietspreisen für Amtslokale) er-
übrigt oder vermindert.