Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 117. Allgemeine Charakteristik und geschichtliche Entwicklung. 377 
nahmen »durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten« aufzubringen'). 
Der Grund für diese Gestaltung lag in der historischen Anknüpfung 
an die Einrichtungen des ehemaligen Deutschen Bundes und des 
Zollvereins?). Allein es ist unverkennbar, daß nach der Verfassung 
des Norddeutschen Bundes die Gesellschaftswirtschaft nach 
verhältnismäßig kurzer Zeit tatsächlich hätte verschwinden müssen, 
denn es gab nach dieser Verfassung nur Ausgaben, die allen 
Staaten, und zwar nach gleichem Maße, gemeinschaftlich waren, 
und ebenso hätte es nach Ablauf der für die Verteilung der Post- 
überschüsse normierten Uebergangszeit nur Einnahmen gegeben, an 
denen alle Staaten im gleichen Maße Anteil hatten, so daß es ledig- 
lich der Einführung von Bundessteuern behufs Beseitigung der Matri- 
kularbeiträge bedurft hätte, um die Bundesfinanzwirtschaft aus der ge- 
sellschaftlichen Rechtsform in die korporative (staatliche) überzuleiten. 
Die Bundesverfassung selbst wies darauf hin, daß die sozietätsmäßige 
Gestaltung der Finanzwirtschaft nur vorübergehend bestehen sollte; 
denn Art. 70 der Verfassung verpflichtete die Bundesstaaten zur Zah- 
lung von Matrikularbeiträgen nur, »solange Reichssteuern nicht ein- 
geführt sinde«. 
Durch den Beitritt der süddeutschen Staaten und durch die Ent- 
wicklung des Finanzwesens des Reiches ist dieser Weg verlassen 
worden. Durch die den süddeutschen Staaten eingeräumten Sonder- 
rechte auf dem Gebiete des Post- und Telegraphenwesens und der 
Verbrauchsabgaben und durch die besondere Stellung Bayerns in be- 
treff des Militär-, Eisenbahn- und Heimatwesens sind Komplexe von 
Einnahmen und Ausgaben gebildet worden, an denen nicht sämtliche 
Staaten gleichmäßig beteiligt sind. Dasselbe ist in anderen Beziehungen 
durch die Verhältnisse Elsaß-Lothringens herbeigeführt worden. Na- 
mentlich ist aber ein prinzipiell entscheidender Schritt dadurch ge- 
schehen, daß bei der Erhöhung der Zölle und der Tabaksteuer durch 
das Reichsgesetz vom 15. Juli 1879, 8 8, durch das Reichsstempel- 
gesetz vom 1. Juli 1881, $ 32°) und das Branntweinsteuergesetz vom 
24. Juni 1887, 8 39 die Matrikularbeiträge der Einzelstaaten nicht 
vermindert oder abgeschafft worden sind, wie es Art. 70 der Reichs- 
verfassung in Aussicht stellte, sondern daß im Gegenteil das System 
der Matrikularbeiträge und Ueberschußverteilung eine neue Anerken- 
nung und verstärkte Bedeutung erlangt hat. 
Nachdem aber die Frankensteinsche Klausel bei allen Abgaben 
mit Ausnahme der Branntweinsteuer aufgehoben und bei den neu ein- 
1) Demselben Prinzip gemäß sind auch die disponiblen Beträge der französischen 
Kriegskostenentschädigung nicht bloß auf die fünf verbündeten Staaten, sondern auch 
innerhalb des Nordd. Bundes auf die Mitglieder desselben verteilt worden. 
2) Vgl. meinen Vortrag über „Die Wandlungen der Deutschen Reichsver- 
fassung“, Dresden 1895, S. 21 ff. 
8) Redaktion vom 27. April 1894, 8 45; vom 14. Juni 1900, 8 55.
	        
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