Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 97. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. 45 
Anordnungen lassen zum Teil keine vollständige und wörtliche An- 
wendung in den nichtpreußischen Teilen des Bundesgebietes zu, 
weil sie sich auf preußische Staatseinrichtungen und Verfassungs- 
bestimmungen beziehen. 
a) Voraussetzungen. Das Gesetz gestattet nur in zwei 
Fällen die Erklärung des Belagerungszustandes: für den Fall eines 
Krieges in den von dem Feinde bedrohten oder teilweise schon 
besetzten Provinzen ($ 1) und für den Fall eines Aufruhrs bei 
dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit ($ 2). Andere Gefahren 
für die öffentliche Sicherheit rechtfertigen die Erklärung des Kriegs- 
zustandes nicht '). 
b) Form der Verkündigung. Unter der Verkündigung 
ist nicht zu verstehen die Publikation der kaiserlichen Verordnung 
im staatsrechtlichen Sinne; dieselbe ist in allen Fällen durch Ab- 
druck im Reichsgesetzblatt zu bewirken; sondern die davon ver- 
schiedene tatsächliche Kundmachung an die von der Verhängung des 
Kriegszustandes betroffene Bevölkerung. Die Erklärung des Belage- 
rungszustandes ist »zur allgemeinen Kenntnis« zu bringen durch Ver- 
lesung der kaiserlichen Verordnung, bei Trommelschlag oder Trompeten- 
schall und außerdem durch Mitteilung an die Gemeindebehörde, 
durch Anschlag an den Öffentlichen Plätzen und durch öffentliche 
Blätter (Ges. $ 3). Daß die drei zuletzt erwähnten Bekanntmachungs- 
arten sämtlich angewendet werden, ist zwar nicht erforderlich, dagegen 
ist es nach dem Wortlaut des Gesetzes unerläßlich, daß die Verkündi- 
gung bei Trommelschlag oder Trompetenschall erfolgt und wenigstens 
mit einer der drei anderen Bekanntmachungsformen kombiniert 
werde. Es folgt dies aus den Worten »und außerdem« und ist durch 
die Erwägung gerechtfertigt, daß eine so eingreifende Maßregel wie 
die Verhängung des Belagerungszustandes auch denjenigen, immerhin 
zahlreichen Menschen, welche nicht das Reichsgesetzblatt zu lesen 
pflegen, kundgemacht werden soll’). Aus dieser Vorschrift über die 
Bekanntmachungsform ergibt sich übrigens, daß die Erklärung in 
jedereinzelnen Gemeinde zur allgemeinen Kenntnis gebracht 
werden muß, und daß daher in Ortschaften, welche vom Feinde 
bereits besetzt sind, die Erklärung des Kriegszustandes nicht wirksam 
erfolgen kann. 
vorschreibt, daß dem preußischen Landtage Hechenschaft zu geben sei. Zustimmend 
Meyer-Dochow.a.a0,., Note 14. 
1) Meyer in Hirths Annalen 1880, S. 346 fg. und Verwaltungsrecht, Note 4. 
behauptet im Widerspruch mit der ausdrücklichen Bestimmung des Art. 68 der 
Reichsverfassung, daß der Kaiser auch in anderen als den im preuß. Gesetz ange- 
gebenen Fällen den Kriegszustand erklären dürfe. Diese Ansicht hat aber nirgends 
Anklang gefunden. Vgl. auch Brockhaus S. 72; HänelS. 434, Anm. 4. Zornl 
S. 199; Haldy S. 39 fg., 483 fg. 
2) Es ist daher nicht anzunehmen, daß die Vorschrift nur instruktionell ist, wie 
Arndt S. 472 und Dambitsch S. 618 behaupten.
	        
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