8 128. Bedeutung und Feststellung des Haushaltsetatsgesetzes. 525
bestehenden Einrichtungen, also für Verwerfung des Etats aus-
spricht. Art. 5, Abs. 2 beschränkt sich nicht auf die Beseitigung ge-
setzlicher Anordnungen durch neue Gesetze, sondern er spricht ganz
allgemein von »bestehenden Einrichtungen«, gleichviel ob dieselben
auf Gesetzen oder Verordnungen oder Verwaltungsmaßregeln beruhen ;
andererseits spricht der Art. 5, Abs. 2 nur von »Gesetzesvorschlägens,
nicht von Verwaltungsmaßregeln; da aber der Etatsentwurf formell
wie ein Gesetzesvorschlag zu behandeln ist, so findet die Regel des
Art. 5, Abs. 2 auf ihn Anwendung.
Dagegen ist die Bestimmung im Art. 7, Abs. 4 der Reichsverfassung
auf die Beschlußfassung des Bundesrates über den Etat nicht anwend-
bar !), weil die Regelung des Reichshaushaltsplanes eine allen Bundes-
mitgliedern gemeinsame Angelegenheit ist, die Feststellung des Reichs-
haushalts im ganzen aber von der Beschlußfassung über die einzelnen
Positionen sich nicht trennen läßt.
2. Art. 78, Abs. 2 der Reichsverfassung, wonach diejenigen Vor-
schriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte Rechte ein-
zelner Bundesstaaten festgestellt sind, nur mit Zustimmung der be-
rechtigten Bundesstaaten abgeändert werden können, erstreckt seine
Wirkung auch auf die Beschlußfassung über den Etat. Denn eine Ab-
änderung der Sonderrechte einzelner Staaten kann auch ohne formelle
Aufhebung bestimmter Artikel der Verfassungsurkunde dadurch ein-
treten, daß man sie tatsächlich nicht berücksichtigt, und dazu bietet
gerade der Etat vielfache Gelegenheit. Der verfassungsmäßige Schutz
der Reservatrechte wäre illusorisch, wenn mıan sie von Jahr zu Jahr
durch das Etatsgesetz oline Zustimmung der berechtigten Einzelstaaten
suspendieren könnte. Zu diesen, bei der Aufstellung des Reichsetats
zu berücksichtigenden Sonderrechten gehört die Ueberweisung der Er-
träge der Verbrauchsabgabe von Branntwein an die drei süddeutschen
Staaten ?).
3. Das ordnungsmäßig beschlossene Etatsgesetz ist gemäß Art. 17
der Reichsverfassung vom Kaiser auszufertigen und zu ver-
kündigen. Esist dies das Recht des Kaisers, zugleich aber auch seine
verfassungsmäßige Pflicht). Die Publikation erfolgt nach der Vor-
schrift im Art. 2 der Reichsverfassung vermittelst des Reichsgesetz-
blattes; das Etatsgesetz nebst dem ihm beiliegenden Haushaltsetat muß
unverändert in derjenigen Form verkündigt werden, welche durch die
übereinstimmenden Beschlüsse des Bundesrats und des Reichstages fest-
gestellt worden ist. Die Verantwortlichkeit dafür trägt der Reichskanzler.
II. Art. 69 der Reichsverfassung bestimmt: »Alle Einnahmen und
Ausgaben des Reiches müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den
Reichshaushaltsetat gebracht werden.« Hierin sind folgende Regeln
enthalten:
1) Vgl. Bd.1, S. 283. Uebereinstimmend G. Meyer, Staatsrecht $ 209, Note 4.
2) Siehe oben S. 458. 3) Vgl. Bd. 2, S. 53.