546 $ 129. Die Wirkungen des Etatsgesetzes.
3. Die zeitlichen Abweichungen vom Etat bestehen entweder
darin, daß Ausgaben!) am Ende des Jahres noch nicht erledigt sind
oder daß sie bereits vor Beginn des Jahres geleistet worden sind, und
man unterscheidet dementsprechend Restverwaltung und Vor-
schußverwaltung.
a) Die Restverwaltung. Es ist einleuchtend, daß die Staats-
kasse nicht alle Zahlungen, welche auf Rechnung des Etats eines be-
stimmten Jahres erfolgen sollen, bis zum 31. März effektuieren kann;
eine Hinausschiebung der Zahlung kann z. B. notwendig werden
durch eine Verzögerung der Lieferung bestellter Waren oder Arbeiten
oder durch Verzug in der Beibringung der erforderlichen Liquidatio-
nen, Belege und Quittungen, oder durch mora accipiendi des berech-
tigten Gläubigers. An und für sich ist die Restverwaltung erlaubt und
ganz unvermeidlich; das Etatsgesetz steht derselben nicht entgegen,
da dasselbe nicht die Kassen verwaltung, sondern die Finanzwirtschaft
betrifft und demgemäß der Regierung die erforderlichen Kassenmani-
pulationen behufs Durchführung des Finanzplanes überlassen bleiben.
Von Wichtigkeit ist es nur, die Grenze zwischen Restverwaltung
und Ausgabeersparnissen zu ziehen. Hierbei ist zunächst das
Prinzip maßgebend, daß nicht die Zeit der erfolgten Zahlung, sondern
die Fälligkeit der Obligation entscheidet ?). Soweit der Fiskus zur Zah-
lung bereits verpflichtet ist, fällt die Annahme von Ersparnissen weg,
wenngleich die Zahlung selbst erst nachträglich (während des neuen
Etatsjahres) erfolg. Aber auch darüber hinaus kann es vorkommen,
daß selbst die Verpflichtung der Staatskasse erst nachträglich erfolgt,
aber das Bedürfnis der Staatsverwaltung, welches dadurch gedeckt
wird, noch dem abgelaufenen Jahre angehört; auch in diesem Falle
ist keine Ausgabenersparung vorhanden. Es läßt sich daher die Rest-
verwaltung negativ dahin bestimmen, daß auf ihr Konto keine Aus-
gaben der laufenden Verwaltung genommen werden dürfen®). Die
1) Begrifflich fallen auch Einnahmereste und antizipierte Einnahmen
hierunter; sie bieten aber kein staatsrechtliches Interesse von praktischer Bedeutung.
Sind Einnahmereste als Ist-Einnahme in einer Jahresrechnung aufgeführt und sie er-
weisen sich später als uneinziehbar, so werden sie in der folgenden Rechnung zurück-
gerechnet. Ergibt sich hei der Restverwaltung ein Einnahmeüberschuß, so wird er
nach Art. 70 der Reichsverfassung bei dem Etat des folgenden Jahres zur Deckung
der Reichsausgaben verwendet.
2) Vgl. Preuß. Gesetz vom 11. Mai 1898, S 14: Alle Einnahmen und Ausgaben
sind, vorbehaltlich der... hinsichtlich der Einnahme- und Ausgabe-Reste getroffenen
Bestimmungen, in der Rechnung desjenigen Etatsjahres nachzuweisen, in welchem
sie fällig geworden sind.
3) Der Rechnungshof hat im allgemeinen an dem Grundsatz festgehalten, daß
jede Ausgabe als demjenigen Etatsjahre angehörig angesehen wird, in welchem die
Fälligkeit oder Zahlungsverbindlichkeit eingetreten ist. Vgl. Hertel, Ergänzungs-
heft S. 152. Vgl. den Erlaß des Reichsmarineamts vom 2. Juli 1891 (Marine-
verordnungsbl. S. 157). „Die Einnahmen und Ausgaben sind für dasjenige Etatsjahr
zu verrechnen, welchem sie ihrem Rechts- bzw. Entstehungsgrunde nach angehören.“