& 130. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. 555
bei der Rechnungslegung den Nachweis zu führen, daß die Ausgabe
in der Höhe, in welcher sie geleistet worden ist, erforderlich und an-
gemessen war, so daß allerdings ihre Lage erheblich ungünstiger ist,
als wenn sie auf Grund eines Etatsgesetzes verwaltet hät. Das Eitats-
gesetz des vorhergegangenen Jahres hat formell keine Geltung; tatsäch-
lich werden aber meistens die in ihm enthaltenen, durch Ueberein-
stimmung der gesetzgebenden Körperschaften festgesetzten Beträge. einen
Anhaltspunkt für die Beurteilung der Frage geben, ob die Regierung
sich innerhalb der angemessenen Summen gehalten habe. Uebrigens
kann ja auch, wenn der Etat gesetzlich festgestellt worden ist, der bud-
getmäßig veranschlagte Betrag sich tatsächlich als unzulänglich zur
Bestreitung einer gesetzlich geforderten, also rechtlich notwendigen
Ausgabe erweisen; der Regierung liegt auch in diesem Falle der Nach-
weis ob, aus welchen Gründen die Etatsüberschreitung geboten war,
und man kann daher den Satz aufstellen, daß bei nicht zustande ge-
kommenem Etat die Reichsregierung hinsichtlich aller notwendigen,
aber der Höhe nach nicht feststehenden Ausgaben in bezug auf den
ganzen Betrag derselben eine ähnliche Verantwortlichkeit trägt, wie
bei der Verwaltung auf Grund eines Etatsgesetzes hinsichtlich der
Etatsüberschreitungen.
b) Als »willkürlich« im staatsrechtlichen Sinne sind alle Ausgaben
zu bezeichnen, zu deren Leistung für die Regierung keine Rechts pflicht
besteht. Für solche Ausgaben bedarf die Regierung der Regel nach
einer Ermächtigung durch das Etatsgesetz, falls nicht ausnahms-
weise in einem speziellen Gesetze die Ermächtigung zu einer Ausgabe
erteilt ist); demgemäß hat das Nichtzustandekommen des Etatsgesetzes
im allgemeinen die Wirkung, daß die Regierung solche Ausgaben un-
terlassen muß. Allein aus tatsächlichen Gründen kann die Re-
gierung in die Lage kommen, Ausgaben dieser Art leisten zu müssen.
Die Befugnis hierzu beruht auf der allgemeinen Verpflichtung der Re-
gierung, dringende Staatsinteressen wahrzunehmen; es ist widersinnig,
die Staatsverwaltung unter die Fiktion zu stellen, daß kein Staatsin-
teresse dringend, keine Ausgaben notwendig sein können, deren Dring-
lichkeit und Notwendigkeit nicht vorher durch ein Gesetz anerkannt
worden ist. Auch bei vorhandenem Etatsgesetz kann der Fall ein-
treten, daß die Regierung Ausgaben für Zwecke leisten muß, welche
im Etatsgesetz gar nicht berücksichtigt worden sind, vielleicht gar
nicht berücksichtigt werden konnten. Hinsichtlich solcher außeretats-
mäßigen Ausgaben kommt die Regierung aber nicht mit dem Nach-
weise durch, daß die verwendete Summe für den betreffenden Zweck
1) Das gleiche gilt, wenn in einem früheren Etatsgesetz Summen, deren Veraus-
gabung sich auf mehrere Etatsjahre verteilt, insbesondere für Bauten, bestimmt sind.
Innerhalb der in dem früheren Etatsgesetz festgesetzten Höhe der Summe ist die
Regierung ermächtigt, die zur Fortsetzung oder Vollendung erforderlichen Ausgaben
zu leisten.