582 Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht.
lich zu erfüllende »Bedingung« einer Budgetgenehmigung und ebenso-
wenig stellen die Gesetze, welche dauernde mit Ausgaben verknüpfte
Verwaltungsaufgaben vorschreiben, eine solche »Bedingung« auf. Aus
der Vorschrift der Verfassung, daß diese Einnahmen und Ausgaben
jährlich veranschlagt werden sollen, eine solche »Bedingung« her-
zuleiten, ist daher gerade so willkürlich wie die Annahme, daß alle
Gesetze des Staates an und für sich unvollziehbar seien und die Re-
gierung Jahr für Jahr durch das Budgetgesetz erst die »Ermächtigung«
zu ihrer Vollziehung erhalten müsse.
Auch was Jellinek zur Widerlegung der von mir entwickelten
Lehre aufstellt, kann ich nicht für zutreffend anerkennen. Er meint,
daß meine Theorie mit dem Satz »stehe und falle«, daß zwar eine
Verfassungsurkunde, aber nicht das Rechtssystem eine Lücke haben
könne (S. 297). Abgesehen davon, daß das von Jellinek zur Wider-
legung dieses Satzes gegebene »Beispiel« höchst unglücklich gewählt
ist, da es weit eher zur Bestätigung desselben verwendet werden
könnte !), so ist doch klar, daß wenn es selbst wahr wäre, daß die
Rechtsordnung wirkliche und unausfüllbare Lücken habe’), damit
noch keineswegs erwiesen ist, daß der Fall, daß in einem Jahre das
Budgetgesetz nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht zustande kommt,
eine solche Lücke im preußisch-deutschen Staatsrecht bilde. Wenn
ferner Jellinek (S. 302) ausführt, eine Staatsverwaltung ohne Budget
sei wirtschaftlich unmöglich, fehle es an einem Budgetgesetz, so
müsse es notwendig durch eine Budgetverordnung ersetzt wer-
den, die Verfassung schreibe aber die Feststellung des Budgets im Wege der
Gesetzgebung vor und verbiete mithin die Feststellung des Budgets im
Verordnungswege: so ist der auf einem quid pro quo beruhende Trug-
schluß leicht zu erkennen. Es handelt sich nicht um die wirtschaft-
liche, sondern um die rechtliche Bedeutung des Budgets. Die letztere
ist allerdings — wie oben S. 924 fg. dargelegt worden ist — an die
Gesetzesform gebunden; ein Budget, welches die Regierung in Ermang-
lung eines Budgetgesetzes entwirft, um die Ordnung der Staatswirt-
schaft zu erhalten, ist in rechtlicher Beziehung kein Ersatz des
Budgetgesetzes und soll auch gar nicht ein solcher sein, da es die
Verantwortlichkeit der Regierung der Volksvertretung gegen-
über nicht zu decken vermag. Es ist daher ebensowenig verfassungs-
widrig wie verfassungsmäßig; es ist rechtlich indifferent °).
Jellinek gelangt daher auch zu keiner Lösung des Problems,
wie im Falle des mangelnden Budgets das Verfassungsrecht mit der
1) Siehe auch Brie im Archiv für öffentl. Recht Bd. 4, S. 32.
2) Vgl. dagegen mein Budgetrecht S. 75fg.; ferner Zachariä in den Göt-
tinger Gel. Anzeigen 1871, S. 375, und neuerdings sehr gut Bornhak a.a.O. S. 598
(2. Aufl. S. 614).
3) Vgl. Zorna.a. O. S. 372 und Brie S. 33; auch Bornhak S. 599 (2. Aufl.
S. 615).