Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

600 Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 
blicken kann, wie etwa in den einem Mandatar für die Ausführung 
von Geschäften erteilten Kostenanschlägen, welche bei der von ihm 
zu legenden Rechnung ebenfalls den Maßstab bilden für seine Pflicht, 
Abweichungen davon zu rechtfertigen. 
Welche Theorie Hänel für den Fall der Budgetlosigkeit aufstellt, 
kann man aus dem Vorhergehenden entnehmen. Da erin dem Etats- 
gesetz die notwendige Ermächtigung der Regierung für alle Einnahmen 
und alle Ausgaben und die »Appropriation« der erhobenen Einnahmen 
für die bewilligten Ausgaben erblickt, so erklärt er jede Verwaltung 
ohne Etatsgesetz für verfassungswidrig. Sie verletze, wie er S. 351 
sagt, »die Verfassungsvorschrift, welche es, gleichgültig welche 
andere Bestimmungen über Einnahmen und Ausgaben andere Gesetze 
treffen, schlechthin verbietet, irgendwelche Einnahmen zu 
verwenden zu irgendwelchen voraussehbaren Ausgaben ohne und 
außerhalb eines gesetzlich festgestellten Finanzplanes«. Diese »Ver- 
fassungsvorschrift« findet Hänel, wie man aus dem Vorhergehenden 
vermuten muß, im Art. 69 der Reichsverfassung. Daß sie in dem- 
selben wirklich enthalten sei, vermag er freilich nicht darzutun. Die 
Scheidung zwischen den staatsrechtlich notwendigen und den recht- 
lich ungebundenen Ausgaben, die er an früheren Stellen S. 299 und 327 
als rechtlich erheblich erkannt hat, erklärt er hier an der praktisch 
entscheidenden Stelle »für ohne ausreichenden Belang«. 
Auf die Frage endlich, welche Rechtsfolgen dann eintreten, wenn 
es an einem Budgetgesetz, sei es mit oder ohne Verschulden der Re- 
gierung, fehlt, die Verwaltung aber trotzdem fortgeführt wird, ant- 
wortet Hänel (S. 353) durch eine Hinweisung auf die »allgemeinen 
Rechtsgrundsätze« über die Rechtsfolgen verfassungswidriger Hand- 
lungen. Welches diese Rechtsfolgen seien, vermöge er auf Grund des 
positiven Rechts im Reiche und in Preußen nicht zu sagen, weil es 
an einem Ministerverantwortlichkeitsgesetz fehlt. In der Tat, solange 
ein solches Gesetz nicht erlassen ist, fehlt dem Schwert, welches durch 
das Recht der Budgetbewilligung die Parlamentsmajorität über dem 
Haupt des Ministeriums schwingt, der Griff. Wenn das Parlament be- 
fugt ist, dem Ministerium jährlich die Ermächtigung zur Erhebung 
aller Einnahmen und Ausgaben zu versagen, und das Ministerium vor 
die Alternative gestellt ist, entweder einem der Parlamentsmajorität ge- 
nehmen Nachfolger den Platz zu räumen oder einer Verurteilung wegen 
Verfassungsverletzung entgegenzusehen, dann istin der Tat der Monarch 
aus dem Besitz seiner Regierungsrechte gesetzt und das Parlament an 
seine Stelle getreten; dann ist das eigentliche Oberhaupt des Staates 
nicht der König, sondern das die Wahlen beherrschende Demagogen- 
tum, und dann ist in Anwendung auf das Deutsche Reich der Satz 
der Reichsverfassung, daß der Kaiser das Recht hat, den 
Reichskanzler zuernennen, ein leerer Schall.
	        
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