Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

Nachträge. 1. Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913. 605 
bürgerungsgesuchs wird daher eine Verzögerung und dadurch eine 
Erschwerung erfahren, da der Reichskanzler zuvor durch Umfrage bei 
sämtlichen Staatsregierungen feststellen muß, daß keine von ihnen Be- 
denken erhebt. Ob die Nichtbeachtung der Vorschrift des $ 9, Abs. 1 
die Einbürgerung ungültig macht oder nicht, ist bestritten); sie ist 
wegen Art. 16, Abs. 1 zu verneinen, da hier die Wirksamkeit der Ein- 
bürgerung lediglich an die Tatsache der Aushändigung der Urkunde 
geknüpft wird. 
Die Vorschriften des 89, Abs.1 finden aber keine Anwendung auf 
ehemalige Angehörige des Bundesstaats, bei dem der Antrag auf Wie- 
dereinbürgerung gestellt wird, auf deren Kinder oder Enkel, sowie auf 
Personen, die von einem Angehörigen des Staates an Kindesstatt an- 
genommen sind, aber nur, wenn der Antragsteller nicht einem aus- 
ländischen Staat angehört. Ferner findet $ 9, Abs. 1 keine Anwen- 
dung auf Ausländer, die im Deutschen Reiche geboren sind, wenn sie 
sich in dem Bundesstaate, bei dem der Antrag gestellt wird, bis zur 
Vollendung des 21. Lebensjahres dauernd aufgehalten haben und sie 
die Einbürgerung innerhalb zweier Jahre nach diesem Zeitpunkt be- 
antragen. & 9, Abs. 2. Es ist dies eine der wenigen Abweichungen 
vom Prinzip der Abstammung und eine Anwendung des sogen. jus soli. 
Von dem Grundsatz, daß es im Belieben der Regierung des Bun- 
desstaats steht, ein an sie gerichtetes Einbürgerungsgesuch abzulehnen, 
macht das Staatsangehörigkeitsgesetz einige Ausnahmen. Die Ein- 
bürgerung muB auf Antrag gewährt werden, wofern die allgemeinen 
Bedingungen erfüllt sind), in folgenden Fällen: 
a) Der Witwe oder geschiedenen Ehefrau eines Ausländers, die zur 
Zeit ihrer Eheschließung eine Deutsche war, von dem Bundesstaat, in 
dessen Gebiet sie sich niedergelassen hat ($ 10). 
b) Einem ehemaligen Deutschen, der als Minderjähriger die Reichs- 
angehörigkeit durch Entlassung verloren hat, von dem Bundes- 
staat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, wenn er den Antrag 
innerhalb zweier Jahre nach der Volljährigkeit stellt ($ 11). 
c) Einem ehemaligen Deutschen, der vor dem Inkraftreten des 
Staatsangehörigkeitsgesetzes die Reichs- und Staatsangehörigkeit durch 
zehnjährigen Aufenthalt im Ausland verloren hat und keinem Staat 
angehört, von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niederge- 
lassen hat ($ 31). 
d\) Einem ehemaligen Deutschen, der vor dem Inkrafttreten des 
Staatsangehörigkeitsgesetzes die Reichsangehörigkeit durch Entlassung 
verloren hat, von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich nieder- 
können. Vgl.Romen S.45ff. Ueber die praktische Bedeutungslosigkeit der ganzen 
Bestimmung Lenela.a. O. 
1) Für Ungültigkeit Piloty S. 900, dagegen Lenel S. 7. 
2) Die Einbürgerung kann in diesen Fällen daher nicht an andere Bedingungen 
geknüpft werden als an die im $ 8 des Gesetzes vorgeschriebenen Erfordernisse. 
Auch ist 8 9 Abs. 1 in diesen Fällen unanwendbar. Cahn S. 73.
	        
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