& 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten. 7
rieren« !). Dieses Recht ist das notwendige Korrelat zu dem kaiser-
lichen Dislokationsrecht. Es findet Anwendung nicht nur bei Stö-
rungen der öffentlichen Ruhe, wenn die Polizeibehörden den Beistand
des Militärs in Anspruch nehmen, sondern auch im Interesse der
Sicherheit in gewöhnlichen Zeitverhältnissen, z. B. zur bewachung
der Strafanstalten ?).
Ueber das Verhältnis dieses Rechtes zur Verhängung des Kriegs-
zustandes siehe oben (8. 49).
Die Voraussetzungen, unter denen das Militär zur Aufrechterhal-
tung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit einschreiten und
von den Waffen Gebrauch machen darf, sowie die übrigen Fälle, in
denen Waffengewalt seitens des Militärs angewendet werden darf, sind
normiert in der preußischen Verordnung vom 17. August 1835
und in dem preußischen Gesetz vom 20. März 1837. (Gesetzsamml.
1835, S. 170, und 1837, S. 60)°). Beide Gesetze sind auch in Württem-
berg durch Erlaß vom 37. Mai 1878, sowie in Sachsen durch Verordnung
vom 14. Juni 1881 eingeführt worden *). In Bayern dagegen kommen
die Vorschriften des bayerischen Gesetzes vom 4. Mai 1851 und der
Garnisondienstinstruktion vom 5. April 1855 zur Anwendung ’).
Ferner sind die Voraussetzungen und Formen für militärische
Hilfsleistungen bei öffentlichen Notständen durch die Kabinettsordre
vom 6. Januar 1899 geregelt worden ®).
Ueber die Verwendung des Militärs zu polizeilichen Zwecken, also
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Unterdrückung von
1) Reichsverfassung Art. 66, Abs. 3. Ueber die in diesem Artikel gemachte
Uuterscheidung zwischen der „Verwendung der eigenen Truppen“ und der „Re-
quisition anderer Truppenteile“ vgl. meine Ausführung im Archiv für öffentliches
Recht Bd. 3, S. 515 fg.
2) Nähere Anordnungen sind enthalten in den Militärkonventionen mit Hessen
Art. 13: Baden Art. 13; Oldenburg Art. 16; Braunschweig Art.8, Abs. 2;
Waldeck Art.7,Abs. 4 Lübeck 84 letzter Abs. und 86; Hamburg $5 und 7;
Bremen $ 10—12. — Auf Bayern findet Art. 66 der Reichsverfassung keine An-
wendung; sollten daher einmal nichtbayerische Truppen vorübergehend in bayeri-
schem Gebiete disloziert sein, so sind die bayerischen nicht befugt, diese Truppen
zu polizeilichen Zwecken zu requirieren, und ebensowenig im umgekehrten Falle Be-
hörden anderer Bundesstaaten die bayerischen Truppen. Für die in Elsaß-Lothringen
dislozierten Truppen sind in der „Instruktion“ vom 10. April 1872, Ziff. 1 besondere
Festsetzungen getroffen worden.: Vgl. Militärgesetze Bd. 1, S. 182.
3) Dazu „Instruktion für die Wachen in Hinsicht der Verhaftungen und vor-
läufigen Festnahmen“ vom 29. Januar 1881 (Militärgesetze VI, S. 275 fg.).
4, Württembergisches Regierungsbl. S. 125. Die Einführung ist erfolgt
„in Vollzug des Art. 10 der Militärkonvention“. Vgl. auch diebrauuschweigische
Militärkonvention Art. 8, Abs. 2.
5) Vgl. Fr. van Calker, Das Recht des Militärs zum administr. Waffenge-
brauch. München 1888. Daselbst sind sowohl die preußischen wie die bayerischen
Vorschriften abgedruckt. Wilfling, Der administrative Waffengebrauch 1909.
v.Reinhardt, Der Waffengebrauch als Mittel staatl. Verwaltungszwangs 1910.
6) Armeeverordnungsbl. 1899, S. 28.