86 8 101. Das stehende Heer.
fassung hinsichtlich des Heerwesens nicht modifiziert sind. Zu beach-
ten ist aber, daß ein Etatsgesetzentwurf, welcher an den »bestehenden
Einrichtungen« des Heerwesens Veränderungen hervorbringen würde,
als vom Bundesrat abgelehnt gilt, wenn sich die Stimme des
Präsidiums gegen denselben erklärt’), und es kann kein Zweifel
darüber obwalten, daß die einmal gültig errichteten und in den frü-
heren Etatsgesetzen genehmigten Offiziers-, Unteroffiziers- und Beam-
tenstellen zu den »bestehenden Einrichtungen« des Heerwesens ge-
hören.
Il. Die Friedenspräsenzstärke°.).
Die Kadres sind gleichsam die Zellen, aus denen der Körperbau
des Heeres gebildet ist; es frägt sich nun, wie dieselben ausgefüllt
werden, wie viele Wehrpflichtige in dieselben eintreten. Erst dadurch
verbindet sich mit den Ausdrücken Bataillon, Eskadron und Batterie
ein festbestimmter und präziser Sinn, daß man nicht nur die zu diesen
Formationen erforderlichen Offiziere etc., sondern auch die dazu ge-
hörigen Mannschaften angibt. Die Reichsgesetzgebung hat jedoch die
Kopfstärke der einzelnen Truppenkörper nicht fixiert, auch nicht
bestimmt, daß die gleichnamigen Formationen überall gleich stark
sind, sondern in dieser Hinsicht den Anordnungen des Kaisers einen
Spielraum gewährt. Derselbe wurde nur dadurch beschränkt, daß man
die Friedenspräsenzstärke des gesamten Heeres in einer Hauptsumme
gesetzlich festgesetzt hat. Diese Methode schreibt sich aus der Zeit der
Errichtung des Norddeutschen Bundes, also vor der völligen Durch-
führung der Heeresverfassung her. Die norddeutsche Bundesverfassung
enthielt im Art. 60 den Satz:
»Die Friedenspräsenzstärke des Bundesheeres wird bis zum
31. Dezember 1871 aufEin Prozent der Bevölkerung von 1867
normiert und wird pro rata derselben von den einzelnen Bundes-
staaten gestellt. Für die spätere Zeit wird die Frie-
denspräsenzstärke des Heeres im Wege der Bun-
desgesetzgebung festgestellt.
Die Reichsverfassung hat diesen Artikel wörtlich beibehalten; nur
ist statt »Bundesheeres« »Deutschen Heeres« und statt »Bundesgesetz-
gebung« »Reichsgesetzgebung« gesetzt worden. Das Reichsgesetz
vom 9. Dezember 1871 (Reichsgesetzblatt S. 411) behielt das in
Art. 60 sanktionierte Prinzip bei und prolongierte die Geltung desselben
für 3 Jahre; veränderte die Fassung aber in der Art, daß es die Friedens-
präsenzstärke nicht auf eine Quote der Bevölkerung, sondern auf eine
1) Reichsverfassung Art. 5, Abs. 2.
2) Preuß, Friedenspräsenz und Reichsverfassung, Berlin 1887. L. v. Savigny,
Die Friedenspräsenz des deutschen Heeres. Archiv für öffentl. Recht Bd. 3, S. 203 ff.
(1888). Ferd. Sartorius daselbst Bd. 30, S. 47 ff.