88 $ 101. Das stehende Heer.
des Gesetzes von 1912—13 vor dem 31. März 1916 nicht verlängert wird,
siehe unten.
Hiernach gelten folgende Rechtsregeln:
1. Nur die Gesamtstärke des ganzen Heeres steht fest und dem-
gemäß die anteilsmäßige Stärke der einzelnen Kontingente'). Dagegen
ist die Verteilung dieser Gesamtmasse auf die einzelnen Formationen
gesetzlich nicht normiert. Nicht einmal das Verhältnis der Waffen-
gattungen zueinander ist bestimmt?) und noch viel weniger besteht
eine gesetzliche Nötigung, daß die einzelnen gleichnamigen Kadres gleich
stark sein müssen *). In der gesetzlichen Ziffer sind auch die »be-
sonderen Formationen« mit inbegriffen; dagegen treten zu ihr hinzu die
Offiziere, Sanitäts- und Veterinäroffiziere und sämtliche Militärbeamte
aller Kategorien, sowie seit dem Gesetz vom 3. August 1893 die Unter-
offiziere aller Grade. Die Zahl dieser Stellen unterliegt der Feststellung
durch den Reichshaushaltsetat *®).
2. Die gesetzliche Ziffer der Friedenspräsenzstärke hat nicht die
Bedeutung, daß das deutsche Heer in dieser Stärke wirklich präsent
gehalten werden müsse; sondern sie bezeichnete früher das Maxi-
m um, seit dem Gesetz vom 3. August 1893 die Jahres-Durchschnitts-
stärke des deutschen Heeres’), sie kann daher zeitweilig überschritten
werden, soweit dies durch Rekrutenvakanz, Entlassungen, Beurlau-
bungen ausgeglichen wird ®)., Daraus ergibt sich zugleich, daß der
Effektivbestand des deutschen Heeres zeitweilig auch niedriger sein kann
1) Die auf die einzelnen Kontingente entfallenden Anteile sind in den neueren
Gesetzen über die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke angegeben; nach dem Ge-
setz vom 3. Juli 1913 entfallen auf Preußen und die von ihm verwalteten Kontingente
513068, Bayern 73370, Sachsen 49472, Württemberg 25526 Mann.
2) Nach den Gesetzen vom 15. April 1905 8 3 und vom 27. März 1911 $ 3 unter-
liegt die Verteilung der Erhöhung auf die einzelnen Waffengattungen in den einzelnen
Rechnungsjahren der Feststellung durch den Reichshaushaltsetat.
3) Es ist dies auch tatsächlich nicht der Fall; einzelne Regimenter, namentlich
die Garde-Infanterieregimenter, haben eine höhere Etatsstärke als die anderen, und
auch sonst kommen Abweichungen vor, die teils durch die Militärkonventionen, teils
durch lokale Verhältnisse oder militärisch-politische Rücksichten, z. B. in den Grenz-
ländern, begründet sind.
4) Reichsgesetz vom 15. April 1905 8 3, vom 27. März 1911 8 3. In offenen
Unteroffizierstellen dürfen daher Gemeine nicht verpflegt werden. Andererseits gehen
Oekonomiehandwerker, für welche durch Zivilhandwerker Ersatz geschaffen ist, von
der Friedenspräsenzstärke ab. Gesetz von 1905 $ 1, Abs. 2 a. E.; Gesetz von 1911,
& 1, Abs. 6.
5) Ebenso erklären die Gesetze vom 15. April 1905 und vom 27. März 1911 aus-
drücklich die Friedenspräsenzstärke als die Jahresdurchschnittsstärke.
6) Hiervon unabhängig ist das Recht des Kaisers zur Anordnung von Verstär-
kungen der Armee aus Anlaß besonderer Verhältnisse, z. B. zum Zweck einer
Grenzsperre oder der Aufstellung eines Observationskorps oder dergleichen. Dieses
Recht ergibt sich aus $ 6, Abs. 5 des Wehrgesetzes vom 9. November 1867. Vgl.
Seydel in Hirths Annalen 1875, S. 1417; Preuß S. 91; v. Savigny S. 245.
Anderer Ansicht Brockhaus S. 45 fg.