Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 101. Das stehende Heer. 095 
gattungen, der Festsetzung der Ofliziers- und Unterofliziersstellen durch 
die Etatsgesetze usw. hat die Anordnung im Art. 63 Abs. 4 über die 
Bestimmung des Präsenzstandes, die Gliederung und Einteilung der 
Kontingente ihre Geltung verloren; ihr Zweck war erreicht und 
der Widerspruch mit Art. 60 und 61, Abs. 2 ist verschwunden !). 
7. Der im Art. 62, Abs. 2 der Reichsverfässung enthaltene Grund- 
satz hat dauernde Geltung. Er lautet: »Nach dem 31. Dezember 
1871 müssen diese Beiträge von den einzelnen Staaten des Bundes 
zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird 
die im Art. 60 interjmistisch festgestellte Friedenspräsenzstärke so 
lange festgehalten, bis sie durch ein Reichsgesetz abgeändert ist.« 
Die Behauptung, daß diese Bestimmung ihre Geltung verloren habe, 
seitdem an die Stelle des Pauschquantums die jährliche Veranschla- 
gung der Militärausgaben im Etatsjahr getreten ?), ist unbegründet. 
Ihre Haltlosigkeit ergibt sich sofort, wenn man nur den folgenden 
Absatz des Art. 62 hinzu liest: »Die Verausgabung dieser 
Summe für das gesamte Reichsheer und dessen Einrichtungen wird 
durch das Etatsgesetz festgestellt.« Die Verpflichtung zur Zah- 
lung der »Beiträge« steht demnach nicht in Zusammenhang mit dem 
Pauschquantum; das letztere ist alseine vorübergehende Modi- 
fikation des Budgetsrechts im Art. 71, Abs. 2 aufgeführt; im Art. 62 
dagegen steht das volle und uneingeschränkte, regelmäßige Budget- 
recht unmittelbar neben der Verpflichtung zur Zahlung der Militär- 
beiträge. Es ist daher ganz unerfindlich, wie diese Verpflichtung im 
Widerspruch mit der ordnungsmäßigen Feststellung der Militäraus- 
gaben durch das Etatsgesetz stehen oder durch die Beendigung der 
Pauschquantumperiode und das Eintreten der ordentlichen Ausgabe- 
veranschlagung in Wegfall gekommen sein soll. Abs. 2 handelt von 
der Feststellung der Ausgaben für das Heer, Abs. 3 betrifft die 
Sicherstellung der Einnahmen. Die Einnahmequellen können durch- 
aus unabhängig sein von der Ausgabenbewilligung. So gut die Erträge 
der Zölle und Verbrauchsabgaben, der Post und der Reichseisenbahnen 
usw. zur Reichskasse fließen, ohne alle Rücksicht, ob und wie über 
ihre Verwendung Bestimmung getroffen worden ist, so besteht auch 
die Pflicht der Einzelstaaten, die im Art. 62, Abs. 2 angegebenen 
Beiträge zur Reichskasse einzuzahlen, mag nun in Form des Pausch- 
quantums oder in Form des regelmäßigen Etatsgesetzes oder in be- 
1) Die vorübergehende Geltung der in Rede stehenden Bestimmung ist 
in der Verf. nicht zum Ausdruck gebracht; sie ergibt sich aus Art. 60 und 61, Abs. 2 
und folgt aus dem allgemeinen Verfassungsprinzip, daf3 der Kaiser auch bei militäri- 
schen Anordnungen an die bestehenden Gesetze gebunden ist. Der Abschnitt der 
Verf. über das Reichskriegswesen hat auch sonst Mängel der Fassung, welche der 
Auslegung Schwierigkeiten bereiten. Siehe oben S. 11. 
2) Diese Ansicht wird vertreten von Seydel, Kommentar S. 338ff.; v. Rönne 
Il, 1, S. 177; G. Meyer, sStaatsrecht $ 209, Note 11; Pröbst, Reichsverfassung. 
Note 2 zu Art. 62; Zorn, Staatsrecht II, S. 536.
	        
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