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„So oft sich der Kaiser nicht am Sitze der Reichs-
„regierung befindet, muss einer der Reichsminister in
„seiner unmittelbaren Umgebung sein.
„Die Bestimmungen über den Sitz der Reichs-
„regierung bleiben einem Reichsgesetz vorbehalten.“
Wie man sieht, verleugnet die Verfassung nicht ihre
demokratische und das Unbedeutendste in den Kreis
ihrer Bestimmungen ziehende Tendenz. In der Ver-
fassung von 1871 fehlt eine entsprechende Norm. Die
Frage würde hier wohl nach Preussischem Staats-
rechte zu entscheiden sein. Demgemäss ist auf grund
des monarchischen Staatsrechts Preussens die Wahl
des jeweiligen Aufenthaltsortes lediglich dem Pflicht-
gefühl des Kaisers überlassen. |
2. Abschnitt.
$ 3. Die Erblichkeit der Kaiserwürde; die Frage
der Reichsregentschaft.
‚ Die Kaiserwürde ist nach der Verfassung von
1849 erblich im Hause des regierenden deutschen
Fürsten, dem sie (durch die Nationalversammlung,
also das souveräne Volk!) übertragen worden ist, und
zwar dem salischen Thronfolgeprinzip entsprechend
nur im Mannesstamme, nach der Primogeniturordnung
($$ 68, 69). In Ausführung dieser Bestimmung ist
dann an demselben 28. März 1849, von dem die Ver-
fassung datiert, dem Könige von Preussen die Kaiser-
würde angeboten worden. Demgegenüber wird in
der geltenden Reichsverfassung durch Art. 11 die
Kaiserwürde direkt dem Könige von Preussen über-
tragen. Da die Thronfolgeordnung der preussischen
Verfassungsurkunde (Art. 53) mit der der Reichs-
verfassung von 1849 übereinstimmt, ergibt sich in-