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geltenden Reichsverfassung hat der Kaiser auch den
Bundesrat „zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und
zu schliessen“, vorbehaltlich der in Art. 13 und 14 vor-
gesehenen Beschränkung des kaiserlichen Ermessens.
Diese rein monarchischen Rechte des Kaisers sind im
Staatssystem der geltenden Reichsverfassung zwar
grundsätzlich anormale, aber mit Rücksicht auf die
tatsächlichen Verhältnisse durchaus gerechtfertigt. Ana-
loge Rechte stehen dem Kaiser in beiden Verfassungen
segenüber demReichstage zu: $$ 79, 104, 107—109 einer-
seits und Art. 12,13 anderseits. Abgesehen davon, dass
wegen des Zweikammersystems in der Frankfurter Ver-
fassung sich gewisse Abweichungen von der geltenden
Reichsverfassung hierbei ergeben, ist besonders be-
merkenswert nur der Unterschied, dass in der Ver-
fassung von 1849 die etwaige Auflösung des Volkshauses
nach 8 106 Abs. 1 lediglich vom Kaiser abhängt, wäh-
rend nach der geltenden Reichsverfassung Art.24, Satz2
die Auflösung vom Bundesrat unter Zustimmung des
Kaisers zu beschliessen ist. Nach geltendem Reichs-
staatsrecht hat also der Kaiser zwar ein absolutes Veto
segenüber einem Auflösungsbeschluss des Bundesrats,
die Entscheidung dagegen liegt prinzipiell der
rechtlichen Bedeutung des Bundesrats entsprechend
bei diesem !®).
18) Nach dem Wortlaut des Art. 24 müsste die Auflösung
durch Bekanntmachung des Reichskanzlers als des Vorsitzenden
des Bundesrats (Art. 15, Abs. 1) erfolgen. Tatsächlich erfolgt in
der Praxis die Auflösung des Reichstags durch kaiserliche unter
Zustimmung des Bundesrats erlassene Verordnung; vergl. z. B.
die V. vom 6. Mai 1893 (R.-G.-Bl. S. 155).