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nach der Verfassung von 1871 ein selbständiges
kaiserliches Verordnungsrecht überhaupt nicht. Ein
Verordnungsrecht des Kaisers ist vielmehr im neuen
Deutschen Reiche immer nur vorhanden kraft eines
besonderen Titels. Dem widerspricht nicht etwa der
Umstand, dass dem Kaiser nach Art. 17, Satz 1 der
geltenden Reichsverfassung „die Überwachung der
Ausführung der Reichsgesetze* obliegt. Denn diese
Bestimmung begründet nach richtiger Ansicht nur ein
Recht und eine entsprechende Pflicht des Kaisers,
die Durchführung der Reichsgesetze zu beaufsichtigen,
beim Bundesrate als dem Vertreter des Trägers der
Reichsgewalt aufetwaige Mängel hinzuweisen und in ihm
auf Abstellung solcher Mängel hinzuwirken ?’). Rechts-
titel, die dem Kaiser des neuen Deutschen Reiches ein
Verordnungsrecht verleihen, sind übrigens teilweise
bereits in der Verfassung selbst begründet; vgl. z. B.
Art. 50, Abs. 2. In der späteren Reichsgesetzgebung
finden sie sich sogar ziemlich häufig. Allerdings be-
darf danach oft die kaiserliche Verordnung zu ihrer
Giltigkeit der Zustimmung des Bundesrats, nicht selten
auch einer nachträglichen Genehmigung des Reichs-
tags?28)2°,, Natürlich ist nach der Verfassung von 1849
27) Vergl. Laband .a.a. 0. Bd.11.S.83; Zorn a.a.O0.
S. 491. Ein Verordnungsrecht des Kaisers folgern aus Art. 17
die von Laband a.a.0O. Note 1 zitierten Schriftsteller.
28) Die Zustimmung des Bundesrats zu kaiserlichen Ver-
ordnungen wird z.B. im neuen Zolltarifgesetz vom 25. Dezember
1902 (R.-G.-Bl. S. 303) in nicht weniger als fünfzehn Fällen ge-
fordert, in zwei von diesen Fällen heisst es auch: „Sie (die
durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats
getroffenen Anordnungen) sind ausser Kraft zu setzen, wenn
der Reichstag die Zustimmung nicht erteilt.“
29) Die Subdelegation eines dem Kaiser übertragenen
Verordnungsrechts wäre m. E. nach beiden Verfassungen nur