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2. Halbsatz und Art. 18 der Verfassung von 1871
dagegen ist zwar ebenfalls dem Kaiser die Er-
nennung und Entlassung der Reichsbeamten, also
die Zusammensetzung des gesamten Reichsbeamten-
apparates übertragen, so dass zwar auch hier vom
Kaiser alle Amtsgewalt im Reichsstaate ausgeht. Aber
da anderseits in der geltenden Reichsverfassung „die
verbündeten Regierungen“ die Reichssouveränität re-
präsentieren, hat hier die Chefstellung des Kaisers
im Behördenorganismus doch staatsrechtlich nur die
Bedeutung der verfassungsmässigen Delegation eines
allerdings sehr wichtigen Hoheitsrechtes des Reichs
auf den König von Preussen. M. a. W., die Befugnis
des Kaisers, alle Beamten des Reichs zu ernennen,
ist nach der Verfassung von 1871 nicht ein selb-
ständiges, sondern ein übertragenes und im Namen
der verbündeten Regierungen geübtes Recht. Daraus
musste man folgern, dass dem Kaiser des neuen Deut-
schen Reiches auch keinerlei Befugnisse bezüglich der
Organisation der Ämter, der Verwaltungseinrichtun-
gen des Reichs als solcher zustehen, während nach
der Verfassung von 1849 der Kaiser auch in dieser
Hinsicht auf Grund seiner Regierungsgewalt frei ver-
fügen kann. Zudem ist der Kaiser der geltenden Reichs-
verfassung bei der Ernennung einiger Kategorien von
Beamten an Vorschläge des Bundesrats gebunden oder
er kann wenigstens nicht ohne vorherige Einigung
mit dem Bundesrat das Ernennungsrecht üben??),
während nach der Frankfurter Verfassung die Er-
nennung aller Beamten lediglich vom Kaiser ab-
hängt. Tatsächlich allerdings hat sich auch im neuen
Reiche ein erhebliches Mass von Organisationsgewalt
32) Vergl. Zorn a.a. O. S. 308.