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selben nur solange, als es der Wille des Volkes ge-
stattet!?t) In der Tat, das Kaisertum der Verfassung
von 1849 ist rechtlich nichts anderes als ein „Kaiser-
tum auf Kündigung“). Was würde nämlich den
Reichstag hindern, gemäss $ 196, Abs. 3 der Verfassung
zu beschliessen, die Bestimmungen des II. Abschnitts der
Verfassung: Das Reichsoberhaupt, aufzuheben oder in
einschneidendster Weise zu ändern? Was könnte eine
republikanische Mehrheit des Reichstags abhalten, den
Kaiser für verantwortlich oder das Kaisertum über-
haupt für abgeschafft zu erklären?!) Der Kaiser
wäre in solchem Falle sogar durch den auf die Ver-
fassung geleisteten Eid im Gewissen verpflichtet, das
Gesetz gemäss $ 80, Satz 3 der Verfassung zu ver-
künden. Ja, der Reichstag könnte m,.E. verfassungs-
rechtlich durchaus einwandfrei vom Kaiser die Unter-
zeichnung seines eigenen Todesurteils verlangen! Mit
44) Aber das scheint so recht das politische „Ideal“ vieler
Heisssporne der Jahre 1848/49 gewesen zu sein. Sogar ein
Mann wie der bekannte Heidelberger Staatsrechtslehrer Zöpfl,
forderte von den Gesetzgebern der Paulskirche die Aufrichtung
einer „demokratischen Monarchie“, einer „konstitutionellen Mo-
narchie, welche nicht einzelne, sondern alle republikanischen
Institutionen in sich aufnimmt“ (Heinr. Zöpfl, Konstitutionelle
Monarchie und Volkssouveränität. Frankfurt a./M. 1848. S. 30),
und verlangte von der Monarchie, dass sie „sich selbst als eine
republikanische Institution erfasse“ (a.a. O0. S.15). Dass eine
„demokratische Monarchie“ immer eine logische Unmöglichkeit,
eine wahre contradictio in adjecto ist und bleiben wird, liegt
natürlich auf der Hand.
45) Vergl. Stenogr. Ber. S. 4989, 1. Spalte, Zeile 30 ff. Der
Zwischenruf von der Linken bei dieser Gelegenheit ist so recht
bezeichnend.
46) Der Bericht des Verfassungsausschusses über den Ab-
schnitt der Reichsverfassung: Die Gewähr der Verfassung,
Stenogr. Ber. S. 4957, 2. Spalte zu Art. III $6 weist auf diese
Möglichkeit ausdrücklich. hin.