Full text: Entwickelung und Stand des höheren Mädchenschulwesens in Deutschland.

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sofern die Verweigerung der Unterstützung seitens der Ge- 
meinde an und für sich kein Beweis gegen das Bedürfnis 
einer solchen höheren Mädchenschule ist, sondern oft Motive 
hat, die durchaus nicht im Einklang mit der Forderung einer 
höheren Bildung für die weibliche Jugend stehen.“ 
Neben den kleinen Anstalten giebt es aber auch eine 
grolse Anzahl vollausgestalteter Privatschulen. In Preufsen 
beträgt z. B. die Zahl der privaten höheren und mittleren 
Mädchenschulen mit 7 und mehr aufsteigenden Klassen 169, 
d. h. ebensoviel wie die der öffentlichen höheren und mittleren 
Mädchenschulen derselben Kategorie. 
Selbstverständlich unterstehen die Privatschulen in Deutsch- 
land in derselben Weise einer staatlichen Aufsicht und Leitung 
wie die öffentlichen Schulen. 
Im besonderen Gegensatz zu den öffentlichen Schulen 
stehen die Privatschulen dadurch, dals in ihnen die weibliche 
Leitung, in den öffentlichen die männliche überwiegt. Von 
den öffentlichen höheren Mädchenschulen Preufsens sind 91 
bis 92% unter männlicher, nur 8 bis 9% unter weiblicher 
Leitung; von den höheren Privatmädchenschulen 87 bis 88 % 
unter weiblicher, nur 12 bis 13 % unter männlicher Leitung. 
Ähnlich steht es mit dem Ordinariat in den Oberklassen. Die 
Thatsache, dals die höheren Stände vielfach die Privatschule 
trotz der oft mangelhaften äulseren Ausstattung derselben 
bevorzugen, erklärt sich wohl zum Teil aus dem Umstande, 
dafs der höhere Preis der Privatschule eine Garantie für eine 
gewisse Auswahl des Publikums giebt, und sie dadurch in 
mancher Augen vornehmer erscheint, zum grofsen Teil aber 
auch daraus, dafs in diesen Ständen ein besonderes Gewicht 
darauf gelegt wird, gerade die halberwachsenen Töchter unter 
dem erziehlichen Einfluls von Frauen zu wissen. 
Die weitere Geschichte der inneren Entwicklung des 
höheren Mädchenschulwesens bietet einen bemerkenswerten 
Gegensatz gegen die Entwicklung des Mädchenschulwesens 
im Reformationsjahrhundert. Damals lagen klare Verhältnisse 
vor in Bezug auf die Lebensaufgabe der Frau und das, was 
dem entsprechend an intellektueller Bildung ihr zu bieten