Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

* 49 (Nr. 1). 5. Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht. 189 
nicht bloß dieses (anders Gareis H.G.B. Anm. 1, 4) Handelsgewerbes fallen 
können (R. G. in L. I. 09 S. 228), oder anders ausgedrückt, alle Rechtsgeschäfte 
und Rechtshandlungen, welche Handelsgeschäfte sein können (7 343), fallen unter 
seine Vollmacht, soweit nicht die Natur der Prokura oder Abs. 2 eine Ausnahme 
macht. Gleichgültig ist, ob die Rechtsgeschäfte zweiseitige oder einseitige sind. Darum 
ist B.G.B. § 174, wonach bei einseitigen Rechtsgeschäften der Bevollmächtigte eine 
ollmachtsurkunde vorzulegen hat, auf den Prokuristen dann nicht anwendbar, 
wenn nach Maßgabe des 5 15 Abs. 2 H. G. B. der Dritte die Prokura gegen sich 
gelten lassen muß (ogl. O. L.G. Kolmar in L.3. 09 S. 246, Düringer-Hachen- 
burg l! S. 352 Anm. 35), darüber hinaus insoweit nicht anwendbar, als nach § 15 
Abs. 2 der Dritte die Prokura gegen sich nicht gelten zu lassen braucht. Darum 
wird, wenn das Erlöschen der Prokura eingetragen und bekannt gemacht ist, der 
Prozeßgegner es auch ohne Anzeige gegen sich gelten lassen müssen. Z.P.O. § 87 
wird nur dann anwendbar sein, wenn der Prokurist gegebenenfalls Prozeßbevoll- 
mächtigter ist, also im amtsgerichtlichen, nicht im landgerichtlichen Verfahren (zu weit 
gehend Hellwig, Lehrbuch 1 S. 357, 11 S. 461 und Rosenberg, Stellvertretun 
672, die beide nicht materielle Vollmacht, Prozesse zu führen, und Prozeßvoll= 
macht unterscheiden). Der Prokurist kann insbesondere Wechselverbindlichkeiten ein- 
gehen, Darlehen aufnehmen, Grundstücke erwerben, Liberalitäten vornehmen, soweit 
diese Handelsgeschäfte sein können. Er kann Handlungsgehilfen anstellen, General- 
und Spezialhandlungsvollmachten erteilen (aber nicht Prokuren). Er kann den 
Prinzipal zum Mitglied einer Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung,!) 
Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaft, zum stillen Gesellschafter, dagegen nicht 
zum Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft machen, 
weil es ihm nicht zusteht, den Prinzipal zum Mitinhaber einer neuen Firma zu 
machen. Soweit er den Prinzipal beteiligen kann, kann er auch die Beteiligung 
zerstören oder umgestalten (also nicht persönlich haftende Gesellschafter oder Kom- 
manditisten, wohl aber stille Gesellschafter aufnehmen). Das Handelsgewerbe auf- 
lösen, z. B. durch Veräußerung oder Verpachtung des ganzen Geschäftes (§ 22) 
kann er nicht, da er Vollmacht zu dessen Betrieb hat, ebensowenig genügt sein 
Antrag auf Konkurseröffnung (Staub-Bondi Anm. 1), wohl aber kann er den 
Gegenstand erweitern (R.O. H. G. XXIII Nr. 7), einschränken oder ändern, den Ort 
der Niederlassung verlegen, ein Geschäft — jedoch nur ohne Firma — hinzuerwerben. 
Er kann das Fabrikinventar veräußern, auch wenn dadurch der Betrieb der Fabrik 
unmöglich gemacht wird (Bolze 11 Nr. 675). Nicht kann er die Firma aufgeben 
oder ändern, da er für diese Firma Prokura erhalten hat. Neue Niederlassungen 
kann er anlegen, es sei denn, daß er nur Prokura für eine Niederlassung erhalten 
hat. Wird dabei die Beifügung eines Zusatzes zu der Firma notwendig (5 30 Abs. 3), 
so darf er diesen nicht einseitig vornehmen (vgl. §§ 29, 13). Handlungen, die das 
Gesetz ausdrücklich als die durch den Prinzipal vorzunehmenden bezeichnet, z. B. 
Unterzeichnung des Inventars und der Bilanz (8§ 41), registerrichterliche Zeichnung. 
der Firma (§8 29, 13) kann er nicht vornehmen. Im Preozesse über Rechtssachen 
des Prinzipals als solchen, auch wenn sie die Veräußerung und Belastung von 
Grundstücken betreffen Sellwig, Lehrbuch II S. 404) vertritt er als Bevollmächtigter 
(nicht als gesetzlicher Vertreter, auch wenn der Chef prozeßunfähig sein sollte R.G. 
in L. Z. 07 S. 651) den Prinzipal, insbesondere nimmt er Zustellungen entgegen und 
kann er Prozeßvollmachten erteilen, die Leistung des Parteieides liegt dagegen dem 
Prinzipal in Person ob (Z.P.O. 5 478). Diesem wird natürlich auch der Eid zu- 
geschoben. Das gleiche gilt vom Offenbarungseid im B.G.B. § 259 und Z..O. 
§. 807, ebenso von Zeugnis- und Gutachtenabgaben (O. L.G. Hamburg in Seuffert 
IXVII Nr. 94). Auch Strafanträge kann er stellen, falls sich die strafbare Handlung 
gegen den Prinzipal als Kaufmann richtet (Nachdruck, Patentverletzung, unlauterer 
Wettbewerb und dergl.) und nach der Sachlage nicht der wirkliche oder vermeintliche 
Wille des Chefs dagegen ist (R.G. in Straff. XV S. 144, Holdheim XIV S. 246, 
Seufferts Bl. LXXV S. 394) und das gleiche wird man vom Einspruch gegen 
einen Strafbefehl sagen dürfen (a. A. Goldmann S. 225, 226). Vertretung im 
1) § 15 Abs. 2 des Gesetzes von 1892 würde hier nicht zur Anwendung ge- 
langen, euch dann nicht, wenn die Gesellschaft ideale Zwecke verfolgt (a. A. in. 
letzterer Hinsicht Marcus bei Holdheim 07 S. 149) 
  
 
	        
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