5 63 (Nr. 2—4). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 229
normalen Zeiten (Erfüllung der Militärpflicht, Komm. Ber. S. 3881, K.G. im Recht
04 S. 256 Nr. 1240, der Pflicht zum Geschworenendienst) oder in Tatsachen, die
sich bei Gesamtabwägung nicht als unheilvolle auffassen lassen (Abberufung behufs
Regulierung einer Erbschaft, Feier einer Hochzeit, sich normal abspielende Nieder-
kunft eines verheirateten, weiblichen Handlungsgehilfen), so kann von Unglück nicht
gelprochen werden, (so richtig v. Hahn zu Art. 60 A. 1). Diesenfalls greift § 616
B. G. B. ein. Den Hauptfall wird eigene Krankheit (Üüber ärztliche Untersuchung
bei § 72 Nr. 3), eigener Unfall (wobei auch die Rekonvaleszentenzeit nicht zu eng
bemessen werden darf) bilden, aber auch Krankheit von Familienangehörigen kann
darunter fallen, gleichgültig ob letztere diese Krankheit verschuldet haben oder nicht,
ferner Untersuchungshaft, Einziehung bei Mobilmachung (nicht freiwilliger Eintritt),
Ausweisung, elementare Ereignisse, die den Fortbetrieb des Geschäfts des Prinzipals
verhindern, z. B. Abbrennen der Magazingebäude (Horrwitz, S. 76).!) Das Un-
glück muß ein unverschuldetes sein. Jede Art von culpa schließt den Anspruch
aus, unter Umständen also auch bloße Unachtsamkeit, z. B. beim Baden, Tanzen,
doch wird man hier mit dem Alter des Betreffenden und den Berkehrsanschauungen
rechnen müssen. Als verschuldetes Unglück ist durch geschlechtlichen außerehelichen
Umgang hervorgerufene Krankheit stets anzusehen (so mit Recht Staub-Bondi
Anm. 2, Wurzer in Z.Z.P. 1913 S. 38 f., auch H.#.O Frankfurt in O.L.G. Rspr.
VIII S. 95, O. L. G. Hamburg im Recht 1911 Nr. 1632, anders meist die Praxis
der Kaufmannzsgerichte), bei weiblichen Handlungsgehilfen regelmäßig außereheliche
Schwängerung (Fuld S. 49). Das Unglück muß nach Abschluß des Vertrages
(nicht notwendig nach Antritt des Dienstes) eingetreten sein (Horrwitz S. 73),
die Ursachen können weiter zurückliegen. Daß das Unglück nicht vorhergesehen
werden konnte, ist nicht notwendig. Doch hat der Handlungsgehilfe, der bei Ein-
gehung des Dienstverhältnisses den Eintritt des Ereignisses voraussah, den Prin-
Wal darauf aufmerksam zu machen, Jokt teht ihm der Einwand der arglistigen
äuschung entgegen und er macht sich schadensersatzpflichtig. Des Ferneren kann,
wenn die Ursache des Unglücks, z. B. der Krankheit, weiter zurückliegt, der Herr
möglicherweise den Vertrag wegen Irrtums anfechten (Düringer-Hachenbur
Anm. 4). — Wieweit der Gehilfe bei Unterlassung des Angehens eines Arztes si
aus §254 B. G. B. verantwortlich macht, ist Tatfrage. Eine Verpflichtung, sich vom
Vertrauensarzt des Chefs untersuchen zu lassen, besteht nur bei besonderer Verein-
barung. Die Kosten für ärztliche Untersuchung hat der Prinzipal zu tragen.
3. Verhinderung zur Leistung der Dienste. Die Verhinderung kann zeitweise Nr. 3.
und dauernd sein. Auch wenn e sich von vornherein als dauernd herausstellt,
steht der Anspruch zu. Das Unglück muß den Grund für das Nichtleisten der
Dienste bilden, darum dürfte § 63 nicht anwendbar sein, wenn der seit längerer
Zeit Kranke ebenso gut in einer früheren oder späteren Zeit sich einer Behandlun
unterwerfen konnte (vgl. Jahrb. des Kaufm. G. Berlin III S. 258). Wird au
Grund einer anderen justa causa z. B. wegen Untreue, Injurien vom Prinzipal
das Verhältnis gelöst, so hört damit der Anspruch auf, denn auch, wenn das
Unglück nicht eingetreten wäre, würde er zessieren. Im übrigen hat der Gehilfe
den Anspruch für jedesmalige Verhinderung von neuem, nimmt er also nach Wieder-
#erstellun von seiner Krankheit den Dienst auf und erkrankt dann aufs neue, so
eginnt ein neuer Anspruch, vorausgesetzt, daß wirklich eine neue Erkrankung und
nicht die in Wahrheit nie unterbrochene alte Krankheit vorliegt.
4. Inhalt des Anspruches. Der aunsen geht auf Fortgewährung von Ge- Nr. 4.
halt und Unterhalt bis zum Ablaufe von höchstens 42 Tagen seit der Verhinderung,
den Tag des Eintritts des Unglücks mitgerechnet (Behrend § 45 Anm. 37).
Keineswegs beginnt die Frist erst vom Tage der Kündigung ab zu laufen (O.L.G.
Karlsruhe in O.L.G. Rspr. III S. 77). Unter Gehalt ist auch Tantieme und Pro-
vision zu verstehen (D üringer-Hachenburg Anm. 6, anders Liebrecht im Jahrb.
des Kaufm. G. Berlin II S. 128ff.), Spesen nur, soweit sie wirkliche Vergütung
sind und der Unterhalt sich nicht durch die Verhinderung billiger stellt (Apt 1 S. 43).
1) Anders Staub-Bondi § 63 Anm. 1, 8 und Brand 4a, die elemen-
tare Ereignisse nicht dahin rechnen. Doch sagt H. G. B. nicht „durch einen in seiner
Person liegenden Grund,“" sondern allgemein „durch unverschuldetes Unglück".