5 70 (Nr. 2—4). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 241
Willkür des Prinzipals entscheiden. Umgekehrt kann er bei an sich wichtigen
Gründen das Kündigungsrecht nicht ausschließen, soweit darin ein Verstoß & en
die guten Sitten (O. L. G. Frankfurt im Recht 02 S. 269 Nr. 1366) oder gegen das Gebot
des § 70 liegt wogt R.G.Z. LXXV S. 234, Cosack S. 92, Makower S. 213,
Brand 2ehh). Auch ist die Beschränkung der G.O. 8 139k Abs. 3 . beachten,
die nach G.O. § 154 Abs. 1 auf Handlungsgehilfen Anwendung findet. Im übrigen
ist gleich ültig, ob die Abweichung zugunsten des Gehilfen oder des Chefs erfolgt
(anders Ritter Anm. 1 S. 107, der vertragliche Abweichungen nur zugunsten des
Gahüisen zulassen will). Eine Anzahl besonders praktischer Fälle heben die §§ 71,
72 hervor.
Daß die Gründe in der Person dessen liegen müssen, gegen den die Kün-
digung sich richtet, ist nicht notwendig (R.G. Z. LVIII S. 257, vgl. z. B. 5 71
Nr. 1), noch weniger daß es sich um Frtragsbruch dessen, dem gekündigt wird,
bendelt (R. O. H. G. XXI Nr. 82, X Nr. 40, O. L.G. Hamburg in O.L.G. Rspr. VIII
254, R.G. bei Warneyer 1912 Nr. 70). Es genügt, daß nach der objektiven
Sachlage die einseitige Aufhebung gerechtfertigt erscheint.
ie Gründe müssen vorhanden sein zur Zeit der Kündigung. Dies will nicht Nr. 3.
besagen, daß die Tatsachen, auf die die Gründe sich stützen, zur Zeit der Kündigun
sich ereignet haben. Sie können vielmehr auch nachher auftreten, sofern dara
der Schluß auf einen wichtigen Grund für die Kündigung zulässig, ist (R.G.Z.
XXXII Nr. 62, R.G. in J. W. 02 S. 174 43, Recht 08 S. 658 Beil. 2 Nr. 3583). an
steht nicht im Wege, daß sie bereits vor dem Abschluß des Vertrages bestanden, so-
fern sie dem Kündigenden unbekannt waren und sofern sie ihre Wirkung in die
Gegenwart erstrecken (R.G. im Recht 09 Nr. 3052, 1912 Nr. 3413, L. S. 07 S. 741
Gruchot LII S. 694). Waren sie vorher vorhanden, aber durch ausdrückliche Er-
klärung oder konkludentes Verhalten des zur Kündigung berechtigten Teiles desser
ihrer igenschaft entkleidet, so kann der Kündigende sich auf sie nicht nachträglich
berufen. ie weit in dem Verhalten des Kündigungsberechtigten ein Verzicht auf
die Geltendmachung liegt, ist Talfrage, insbesondere ob das bloße Schweigen eine
ewisse Zeit hindurch schon Verzeihung ist (R.G.. LVI S. 373, R.G. in Seuffert
XV Nr. 193, Warneyer 1912 Nr. 406, L. Z. 1910 S. 213, O.L.G. Stuttgart im
Recht 09 Nr. 1707, 1804). Uber die Frage, ob schon in dem Schweigen eines von
mehreren Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft ein Verzicht der offenen
Handelsgesellschaft liegt, R.G. bei Holdheim 1900 S. 287 (unten §5 111 Nr. 2).
Verzeiht der Prinzipal eine einzelne Dienstwidrigkeit des Handlungsgehilfen, de
verzichtet er dadurch nicht auf das Recht, nachträglich die betreffende Tatsache
als eine von mehreren für die Kenmzeichnung des ganzen Betragens des Gehilfen
zu verwerten (R.O. H. G. XVII S. 221, 222, R.G. Z. XXXVIII S. 116 und die dort
zitierten (vgl. R.G. im Recht 08 S. 658 Beil. 2 Nr. 35821). Stellt er dagegen
einen mit einem sichtlichen Manzel behafteten Gehilfen an, so würde darin ein
genereller Verzicht auf die Geltendmachung dieses Grundes erblickt werden müssen.
Die nach der gerechtfertigten Kündigung eintretenden Tatsachen können, weil Nr. 4.
das Verhältnis gelöl ist, nicht weiter in Betracht kommen. War die Kündigung
ungerechtfertigt, so blieb, sofern der andere Teil sich nicht damit einverstanden er-
klärt, das Verhältnis zu lösen, was in seinem bloßen Schweigen noch nicht liegt
(O. L.G. Colmar in Neumanns Jahrb. 06 S. 621), das Dienstverhältnis bestehen,
der Prinzipal kann somit auch die nachherigen Tatsachen zur erneuten Kündigung
verwerten (R.G.Z. XXXII Nr. 62), ja in seinem Verhalten kann schon eine solche
Kündigung liegen, indem er v4. den Gehilfen nicht in das Geschäftslokal auf-
nimmt. Natürlich kann sich der kündigende Teil nicht auf Tatsachen stützen, die
die Folge seiner Kündigung sind, z. B. der entlassende Prinzipal nicht auf §5 72
Nr. 2. Dem anderen Teil, der an dem Vertrage festhalten will, erwächst danach
die Pflicht, seinen vertraglichen Obliegenheiten, soweit dies nach der Natur der
Dinge angängig ist, weiter nachzukommen, also dem Gehilfen die Pflicht, sich jeder
Untreue, des Lonkurrenfbetriebes (bestritten) ), der Injurien zu enthalten und, bei
Zurücknahme der Kündigung die vollen Pflichten wieder zu übernehmen, es sei
denn, daß ihm dies nach Lage der Dinge nicht mehr zugemutet werden kann (O.L.G.
Darmstadt in O.L.G. Rspr. XII S. 268). Zu weit geht es aber, einen Leistungs-
1) Üüber Konkurrenzklauseln unten S. 253 ff.
Lehmann- Ring, Handelsgesetzbuch. I. 2. Aufl. 16